Durch Zufall im Zirkus
Die Zeit scheint an mir vorbei zu fliegen und ein halbes Jahr ist gleichzeitig kurz und eine Ewigkeit.
Viele Menschen sind mir in dieser Zeit begegnet. Manche kennt man nur für einen Abend und bei Anderen fällt es schwer Abschied zu nehmen, wenn der Andere umzieht oder man irgendwann selbst das Land verlässt. Battambang ist eine Stadt voller interessanter Menschen und Möglichkeiten und ich konnte hier schon viel erleben.
Wer hätte zum Beispiel gedacht das ich mal in einem Zirkus arbeiten und in meiner Freizeit Jiu Jitsu machen würde? Falls du Lust hast kann ich dir ein bisschen was über mein Leben seit meinem ersten Blogbeitrag erzählen.
Neues Zu Hause
Ich bin umgezogen, kurz nachdem ich meinen ersten Blogbeitrag eingestellt hatte. Zu Beginn habe ich ja bei meiner Chefin Ms.Kimchheng gewohnt und sollte dann nach zwei Monaten eine neue Unterkunft bekommen.
Da es sich schwierig gestaltete eine passende Gastfamilie zu finden, habe ich mich auch selbst auf die Suche gemacht. Ich bin sehr Deutsch an die Sache rangegangen und habe erstmal versucht, über das Internet z.B. Immobilienportale etwas Passendes zu finden, doch dort war komplette Fehlanzeige. Heute würde ich es wahrscheinlich eher über Facebook und seine diversen Expat-Gruppen probieren oder einfach in meinem Bekanntenkreis rumfragen, ob jemand etwas kennt.
Damals jedenfalls hatte ich einfach Glück gehabt. Über meinen Khmer-Freund Oudom, dessen Kontakt ich von meinem Vor-Freiwilligen Moritz hatte, lernte ich Juliette kennen. Sie ist eine französische Freiwillige, die im lokalen Social-Circus Phare Ponleu Selapak als Graphic Designerin in der Communication arbeitet. Wir lernten uns auf einem gemeinsamen Ausflug mit Oudom kennen und nach gerade mal einer halben Stunde fragte sie mich, ob ich jemanden kenne, der ein WG-Zimmer sucht. Ich habe es mir noch am selben Tag angeschaut und bin nicht mal eine Woche später eingezogen.
Das Zimmer ist klein, da es vorher nur ein Vorzimmer zum Hauptraum war, aber mein Vermieter hat ein Brett vor die Tür genagelt und noch einen Vorhang angebracht. In meinem Zimmer habe ich ein Bett und einen Schreibtisch. Der Rest des Hauses ist quasi draußen und nur überdacht.

In kambodschanischen Häusern ist meist nur das Schlafzimmer “drinnen”, da man durch die ständige Hitze nicht mehrere geschlossene Räume braucht. So findet viel Alltag im Freien statt, z.B. Kochen, Essen oder einfach Zeit miteinander verbringen. Wenn man nicht gerade in angelegten Reihenhaussiedlungen wohnt, kann man aber viele verschiedene Arten von Häusern und auch viele unterschiedliche Einkommensverhältnisse dicht beieinander sehen. Von Blechhütte, kleinem Steinhaus bis zur Luxusvilla ist alles dabei. Sicherheit gewährleisten Zäune und Hunde, die fast jeder vor dem Haus hat und die abends die Straßen unsicher machen (zumindest für Fahrradfahrer). Ich bin deswegen nach der Dunkelheit nur noch mit Tuktuk oder Freunden mit Moto unterwegs.
Mein neues Haus ist wesentlich näher an meiner Arbeit, was auch ein guter Bonus ist. Wenn ich ankomme, bin ich meistens trotzdem verschwitzt und voller Staub. Ich war natürlich auch ein bisschen traurig von meiner neuen “Familie” wegzuziehen, aber ich sehe meine Gastmutter ja immer noch fast jeden Tag auf Arbeit.
Ausflüge von Siem Reap bis Hanoi
Kurz nachdem ich eingezogen bin, habe ich mit meiner Mitbewohnerin einen Ausflug in die Hauptstadt Phnom Penh unternommen. Hier ist es typischerweise laut und voll. Motos und Tuk Tuks überall und als Fußgänger muss man ein bisschen aufpassen, denn es gibt fast nirgends Fußwege. Leider war der Königspalast noch geschlossen, als wir dort waren und so mussten wir uns damit begnügen, ihn von außen zu betrachten.
Sehr beeindruckt ich aber von Tuol-Sleng-Genozid-Museum. Vor etwa 50 Jahren, mit dem Beginn des Vietnamkrieges und dem anschließenden Terrorregime der roten Khmer, erlebte Kambodscha eine lange Zeit des Leidens. In nur 4 Jahren kamen 2 bis 3 Millionen Menschen ums Leben, von den Soldaten der Khmer Rouge ermordet, verhungert oder an behandelbaren Krankheiten gestorben. 1979 endet das Terrorregime, doch es folgten noch über 10 Jahre Bürgerkrieg und innere Konflikte verschiedener Parteien, bevor Kambodscha endlich Frieden erleben durften. Noch heute gibt es in Kambodscha Minen, doch die Kambodschanische Regierung arbeitet hart, um das komplette Land in den nächsten Jahren minenfrei zu machen.
Das Tuol-Sleng-Museum ist ein ehemaliges Gefängnis, in dem ca. 20.000 Menschen ermordet wurden. Es gibt nur 3 bekannte Überlebende, unter anderem einen Künstler, der das Erlebte in bewegenden Bildern wiedergibt. Hier kann man viel über die Zeit der Khmer Rouge, ihre Grausamkeit und ihre Opfer lernen. Ein Museumsbesuch, der aufrüttelt und mich nicht so schnell wieder losgelassen hat.
Ansonsten kann man in der Stadt viele kleine Läden, Restaurants und Pagoden entdecken. Wat Phnom ist ein Tempel mitten in der Stadt und ein Zentrum des Buddhismus, aber auch der traditionellen Kunst. Am Abend haben wir uns die Bassac-Lane angeschaut, eine kleine Straße mit vielen Bars und Restaurants, die eine entspannte und gute Stimmung hat. Als Tourist wird man gerade auf Märkten und auch überall sonst viel angesprochen, aber meistens ist es harmlos und ich kann ja verstehen, dass man an den verhältnismäßig reichen Barang gut verdient.
Im Dezember haben ich und Juliette uns Siem Reap angeschaut. Die Stadt ist sehr auf Besucher und Touristen ausgelegt und ist auch bei Locals ein beliebtes Ausflugsziel.
Hier gibt es viele Restaurants, Bars, Hostels und Läden, die man auch spät abends noch erkunden kann. Die Hauptattraktion ist aber Angkor Wat.
Über 400 km² erstreckte sich die Tempelanlage, die aus über 72 Tempeln besteht und im 12 Jahrhundert erbaut wurde. Über die Jahrhunderte haben mehrere Könige und Herrscher regiert und mit ihnen hat auch die Religion gewechselt. So ist im Tempel eine Mischung aus buddhistischer und hinduistischer Kunst zu sehen und die Wandpaneele stellen die Kriege und Schlachten verschiedener Herrscher dar. Man sollte sich für Angkor Wat wenigstens ein bis zwei komplette Tage Zeit nehmen, da es viel zu entdecken gibt und auch die kleineren Tempel sehr sehenswert sind. Wir haben uns für einen Tag ein Tuktuk gebucht, das uns dann von einem Tempel zum nächsten gebracht hat, da die Strecken zwischen den einzelnen Tempeln einfach zu weit sind. Alternativ kann man auch Fahrrad fahren, was in dieser wunderschönen Natur auch toll ist. Wir haben wie alle guten Besucher viele Fotos gemacht und uns so viele Tempel wie möglich angeschaut. Am Ende des Tages taten mir dann wirklich die Füße weh. Abends haben wir uns dann die belebte Pubstreet und den Nachtmarkt angeschaut.
Ich war noch ein zweites Mal mit lokalen Freunden da, und ich muss sagen, es war ein komplett anderes Erlebnis. Anderes Essen, viel mehr Fotosessions und sehr viel Shopping.
Trip nach Vietnam
Von meinem Ausflug nach Vietnam könnte ich drei Seiten lang berichten, doch ich versuche mich kurz zu fassen.
Im Dezember wurde mir gesagt, dass mein Zwischenseminar im benachbarten Vietnam stattfindet. Vietnam ist einerseits nah dran, kann aber durch seine schiere Größe auch ziemlich weit weg sein. Ich musste mit dem Flieger nach Hanoi und von dort aus weiter zum Cuc Phuong Nationalpark.
Da ich in Hanoi einen Tag Zeit hatte, konnte ich mir ein bisschen die Stadt ansehen. In meinem Hostel habe ich viele Backpacker getroffen und man fühlt sich als Reisender wirklich sicher und kann mit anderen Backpackern oder allein viel erleben. Ich habe ein vietnamesisches Mädchen und ihre Mutter kennengelernt, die mich in einem Park angesprochen haben und mich gefragt haben, ob sie mit mir Englisch üben kann. Da ich noch nichts geplant hatte, habe ich zugesagt und sie haben mich danach noch auf einen Egg-Coffee eingeladen.
Am nächsten Tag ging es auch schon weiter nach Cuc Phuong. Hier haben wir eine Woche lang unser Zwischenseminar mit den Kolping-Freiwilligen gehabt. Ich und Annika waren die einzigen aus Kambodscha, die anderen Freiwilligen kamen aus Vietnam und Thailand.
Im Nationalpark haben wir von den dort arbeitenden Freiwilligen Führungen durch die verschiedenen Rescue Center bekommen und haben auch Ausflüge und Wanderungen unternommen. Der Nationalpark hat drei Center: Primaten, Schildkröten und Karnivoren und Pangoline. In den Centern arbeiten jeweils zwei Freiwillige und unterstützen die Keeper bei der Haltung der Tiere und damit der Arterhaltung vieler vom Aussterben bedrohter Tierarten. Die gefährdeten Tiere werden meist für ihr Fell getötet oder um aus ihnen traditionelle “Medizin” herzustellen. Auch im Cuc Phuong Nationalpark selbst gibt es Wilderer.

Unser ganztägiger Ausflug ging zum Bai Dinh Tempel. Die Anlage ist so groß, dass es sogar einen eigenen Shuttle-Service gibt. In den verschiedenen Tempelgebäuden gab es viele beeindruckende Statuen und Altäre. Meine persönlichen Highlights waren die 36 Tonnen schwere und mehrere Meter große Glocke und der Ausblick vom Bai Dinh Tower.
In der Seminarzeit hatten wir viele Gelegenheiten uns über unsere Zeit im Ausland, Begegnungen und Erlebnisse zu unterhalten. Es tat gut zu hören, dass es bei niemandem wirklich glatt lief und das ein Auslandsjahr für jeden von uns Herausforderungen, Höhen und Tiefen bedeutet.
Wir haben reflektiert, was gut und was nicht so gut lief, wie wir uns seit der Anfangszeit verändert haben und was die kommenden Monate noch bringen werden. Nach einer intensiven und schönen Zeit ging es für mich wieder zurück nach Hanoi und ich traf mich mit zwei Freundinnen, die aus Deutschland angereist waren.
Gemeinsam wollten wir quer durch Vietnam und Kambodscha. Die Zeit in Hanoi nutzen wir, um die Stadt mit Leuten und Kultur, das Ethnologische Museum und viele Restaurants und Cafes zu erkunden.
Einen Tag haben wir genutzt, um einen Ausflug in die ca. 2h entfernte Halong Bucht zu machen. Vietnam ist ein Land mit vielfältiger Natur und Kultur und wir konnten entlang der Küste Städte, Strände, Nationalparks und Höhlen erkunden.
Mit dem Nachtbus und Zug haben wir einiges an Entfernung zurückgelegt, aber an schlafen ist dabei zumindest bei mir nicht zu denken.
Entweder ein Schnarcher hält alle wach, man liegt auf einem 1m breiten Platz mit einer völlig Fremden oder kommt früh um 3 Uhr irgendwo im Nirgendwo an und muss dann auf den Anschluss warten. Irgendwie war es aber auch eine interessante Erfahrung und wir haben einiges an Zeit gespart, da wir nur knapp zwei Wochen hatten.
Unsere längste Reise ging über 24h und führte uns von Hoi An nach Da Nang, mit dem Flieger nach Ho-Chi-Minh-City, von dort mit dem Nachtbus nach Chau Doc, mit dem Speedboat über den Mekong nach Phnom Penh, mit dem Taxi nach Sihanoukville und mit dem Speedboat nach Koh Rong. Zu behaupten, dass wir am Ende komplett fertig waren, wäre untertrieben.
Koh Rong ist eine Insel mit wunderschöner Natur und wir konnten drei Tage lang entspannten Strandurlaub machen, mit klarem, wenn auch teils etwas vermülltem Wasser. Zusammen mit anderen Besuchern haben wir unseren Strand morgens von Plastikflaschen und diversem anderen Müll befreit. Nach drei Tagen gutem Essen, Sonnenbrand und 3-Uhr-Nachts-Leuchtplankton-Baden ging es auch schon wieder zurück nach Battambang.
Freiwilligenarbeit
Jetzt aber erstmal genug über meine Reisen und mehr über den wichtigeren Aspekt meines FIJs: meine Arbeit.
Ab November begann langsam meine Rolle als inoffizielle Fotografin/Social Media-Beauftragte. Ich gehe mit den Sozialarbeitern mit zu Projekten, Trainings und Events und mache Fotos, die wir dann später auf Social-Media veröffentlichen. Außerdem durfte ich beim Gestalten der neuen Webseite, Facebook- und Instagram Seite mithelfen. Ich hatte damit vorher noch nicht die geringste Erfahrung, doch es machte Spaß verschiedene Sachen auszuprobieren und neue Dinge wie den Umgang mit Canva und Photoshop zu lernen. Auch mit Fotografie habe ich mich viel beschäftigt.
Einige Beitreage habe ich zu den Familien gemacht, die mit dem Family Care First Projekt versorgt werden. Bei Trainings, Workshops oder meinem eignen Englischunterricht, habe ich auch Fotos gemacht und Beitreage gepostet.
Meine neue Hauptaufgabe wurde jedoch das Unterrichten von Englisch. Unsere Organisation hat ein Programm, bei dem sie sich um Pflegekinder kümmert und einige dieser Kinder, die in der Nähe des KMR-Geländes wohnen, unterrichte ich jetzt seit einigen Monaten. Das war von Anfang an nicht leicht und wenn ich ehrlich bin fällt es mir selbst heute manchmal schwer. Die Kinder sind nicht immer motiviert und da sie in der Schule keinen oder nur selten Englischunterricht haben, muss ich ihnen alles von Grund auf beibringen.
Hier konnte ich viel lernen und bin kreativ geworden, was verschiedene Methoden und Ressourcen angeht. Ich arbeite viel mit Videos, Liedern, Tänzen, Basteln, Malen, Spielen,.... Dabei kann ich auch selbst fleißig an meinem Khmer arbeiten, da die Kinder nicht verstehen würden, was ich von ihnen möchte, wenn ich es in Englisch sage.
Ich bin wirklich stolz, wie viel ich inzwischen auf Khmer sagen kann und habe das Gefühl, dass es mir einen komplett anderen Zugang zu Kultur und Menschen gibt. Viele Menschen freuen sich, wenn man sich Mühe gibt Khmer zu reden, vielleicht weil es zeigt, dass man sich für die Kultur und die Menschen interessiert. Mit komplexeren Gesprächen habe ich jedoch immer noch Probleme und wenn sie merken, dass ich ihre Sprache kann, reden sie manchmal so schnell auf mich ein, dass ich nur noch Bahnhof verstehe.
Aber das ist noch gar nichts gegen die Schrift, die zwar ein Alphabet hat, aber dafür das längste der Welt mit über 70 Zeichen.
សួស្តី ខ្ញុំឈ្មោះ Rosalie អ្នកសុខសប្បាយទេ
Und dann wird es teilweise noch nicht mal so gesprochen, wie es geschrieben wird.
Durch meine Freundin Juliette habe ich außerdem viele Leute von Phare Ponleu Selpak kennengelernt und die Gelegenheit bekommen, hier auch als Volunteer zu arbeiten.
Da ich hier nicht so weit ausschweifen möchte sei nur soviel gesagt:
Phare Ponleu Selpak leistet tolle und wichtige Arbeit zur Unterstützung armer Kinder und um ihnen und allen Menschen in Battambang einen Zugang zu Kunst und Kultur zu bieten. Falls du mehr über Phare erfahren möchtest:
https://www.facebook.com/phareponleuselpak/
Da ich als Krankenschwester Erfahrung im medizinischen Bereich habe, war die Idee, dass ich beim First Aid-Training helfe und Training zu gesundheitlichen Themen geben kann. Mein erstes Projekt war zum Thema “Dental Health and Hygiene” für Kinder aus dem Kindergarten in Phare, aber auch eine kurze Einheit für ihre Eltern. Es macht Spaß, etwas komplett anderes auszuprobieren und ich habe das Gefühl, viel Neues lernen zu können. Die Mitarbeiter, Künstler und Schüler hier sind alle super sympathisch und ich wünschte ich könnte länger hier bleiben.
Es finden in Battambang auch regelmäßig Events statt, in denen Phare Schüler und Künstler ihre Arbeit präsentieren. Es werden Bilder ausgestellt, es gibt Modenschauen, Bühnenshows mit Zirkusartisten und Live-Musik.


Auch sonst hat Phare für Besucher viel zu bieten und als Freiwillige kann ich kostenlos in alle Shows gehen und muss nur wenig für Workshops bezahlen. Einmal die Woche gehe ich mit Juliette zum Zirkusfit, das Zirkus und Sport miteinander verbindet. Es ist eine super nette Gruppe und es macht Spaß gemeinsam neue Sachen auszuprobieren. Momentan machen wir viel auf dem Trampolin.
Außerdem mache ich seit neuestem Jiu Jitsu, weil ich gern etwas mehr über Selbstverteidigung lernen möchte.
Auch nach über einem halben Jahr gibt es noch viel zu entdecken und ich bin gespannt, was die kommende Zeit noch bringt.
Aber jetzt konzentriere ich mich erstmal auf meine neue Arbeit und freue mich auf die kommenden Feiertage. Bald ist nämlich Khmer New Year, der größte Feiertag in Kambodscha und ich bin gespannt auf die verschiedenen Traditionen, Spiele und das Essen.
Aber das muss bis zum nächsten Eintrag warten…
Dragonboats and Dragonfruits
Nun sind schon fast zwei Monate rum und ich habe das Gefühl die Zeit vergeht wie im Flug und das obwohl
man mir hier sehr viel Zeit lässt. Grade als Freiwilliger ist das Tempo hier doch etwas gemächlicher.Doch beginnen wir von vorn.
Ankunft ohne Koffer
Um 5 Uhr früh stand ich auf um mit meinen Eltern nach Frankfurt zu fahren. Nach dem Checkin mussten wir uns für ein ganzes Jahr
voneinander verabschieden, was für keinen von uns einfach war.
Ich flog gemeinsam mit Annika die ihr Freiwilligenjahr in Kep im Süden von Kambodscha an einer Don Bosco-Schule verbringt, wo sie Englisch unterrichtet.
Wir stiegen an Bord und dann hieß es 11 Stunden von Frankfurt nach Bangkok fliegen und von dort weiter nach Phnom Penh, der
Hauptstadt Kambodschas.
Den Anschlussflug schafften wir wegen Verspätung jedoch nur mit sehr viel rennen und unser Gepäck kam leider nicht so schnell hinterher.
So standen wir beide nur mit Handgepäck am Flughafen, weder Zahnbürste noch Wechselsachen dabei.
Das erste was ich spürte als ich aus dem klimatisierten Flughafen trat: schwüle Hitze und helles
Sonnenlicht, obwohl es laut meiner inneren Uhr noch Nacht sein sollte.
Meine Gastmutter und die Sisters aus Don Bosco erwarteten uns bereits und so trennten sich unsere Wege schon bald. Annika verblieb noch einige Tage in Phnom Penh, während ich mit meiner Chefin nach Battambang fuhr.
Eine Strecke für die man auf der deutschen Autobahn etwa drei Stunden braucht, hier jedoch eher mit
7 Stunden planen sollte, da die Straßenbedingungen nicht immer die besten sind.
Unsere hieß Road No 5 und ist wie eine Schnellstraße mit zwei Spuren pro Seite gedacht, doch leider ist sie noch nicht ganz fertig gebaut. Und so wechselt man ohne erkennbare Logik mal zur einen oder anderen Seite. So habe ich meinen ersten Geschmack von kambodschanischer Fahrkunst bekommen, die sehr viel, sehr knappes Überholen, und viel Hupen involviert. Nicht mal der monsunartige Regen, bei dem man keine 20m weit sehen kann, kann die Fahrer hier vom Überholen abhalten.
Die meiste Zeit verschlief ich jedoch, da mein Jetlag voll zu geschlagen hat.
Nachdem wir ankamen, lernte ich meine vorläufige Gastfamilie kennen, die aus meiner Chefin, ihrem Sohn, Enkel und ihrer Schwester besteht.
In der Komar Rikreay Association
Die Art der Kambodschaner ist eher ruhig, doch sehr freundlich und zuvorkommend. So wohne ich sehr entspannt.
Es wird für mich gekocht, meine Wasche wird gewaschen, und wenn ich mal selbst abwaschen möchte muss ich
mich sehr durchsetzten.
Hier wird man auch viel die Frage `Njam bay?` (wörtlich essen Reis?) hören, denn man sollte natürlich nicht
hungrig sein, und eine Mahlzeit ist nun mal keine richtige Mahlzeit ohne Reis.
Am nächsten Tag wurde ich direkt mit in das Buero von Komar Rikreay Association (wörtlich glückliche Kinder) genommen, der Organisation bei der ich das kommende Jahr helfen darf. KMR ist eine NGO die sich auf den Schutz und die Unterstützung von hilfsbedürftigen Kindern spezialisiert hat. Sie haben verschiedene Projekte wie alternative Wohnsituationen für Kinder die nicht mehr zu Hause wohnen können oder Unterstützung von armen Familien mit
Sachgütern und anderen Leistungen.
Die ersten Wochen darf ich hier hauptsächlich bei dem Projekt zum Training von Kinderschutz mitgehen.
Hier wird in Schulen, bei Kinder und bei Eltern über nachhaltige, gewaltfreie Erziehung und Reaktion auf Probleme des Kindes aufgeklärt.
Dabei unterstützen Sozialarbeiter und lokale Freiwillige.
Ich kann momentan leider noch nicht genug Khmer um wirklich viel zu verstehen , aber wenn jemand für mich übersetzt ist es wirklich interessant.
Das Leben der Familien hier unterscheidet sich sehr von Deutschland und so können nicht alle Eltern ihre Kinder zur Schule schicken, da sie sich die Schulmaterialien nicht leisten können und die Kinder teils arbeiten müssen, um der Familie auszuhelfen. Auch ist es nicht ungewöhnlich das Eltern nach Thailand auswandern, um dort nach Arbeit zu suchen und die Kinder entweder zurück gelassen werden oder an der Grenze abgefangen und allein zurück geschickt werden.
Deshalb werden in einem der Projekte Familien mit Essen und Schulmaterialen versorgt. Die Sozialarbeiter bringen ihnen die Sachen vorbei und fragen sie nach ihrer aktuellen Situation und Problemen. Bei komplexeren Fällen wird auch mit anderen NGOs und der Regierung zusammen gearbeitet.
Die Organisation ist sowohl in Battambang City, als auch der umliegenden Provinz Battambang tätig
und unterstützt momentan ca. 500 Kinder.

Die erste Woche war ich ziemlich überwältigt und habe erstmal Eindrücke gesammelt. Mein Koffer kam zum Glück noch nach und so hatte ich meine Sachen und auch meine Bilder und Erinnerungen an zu Hause wieder.
Ich hatte vorher keine wirkliche Vorstellung von Kulturschock, doch der hat mich dann schon ziemlich krass getroffen. Grade die Armut vieler Menschen und die komplett verschiedene Lebensweise waren für mich Anfangs ziemlich krass. Auch habe viele Dinge gesehen die mich sehr überrascht haben und die ich mir teils nicht erklären konnten. Zum Beispiel das an den Straßenrändern Müll verbrannt wird, da nicht jeder sich die Müllabfuhr leisten kann. Oder warum viele Leute beim Motorradfahren eine Maske tragen. Nach dem man einmal einen Mund voll Straßenstaub hatte, wird es einem ziemlich schnell klar...
Allerlei Ausflüge...
Am ersten Wochenende dann, wollte ich unbedingt mehr von Battambang sehen und fragte meine Gastmutter was wir denn dieses Wochenende machen. Was ich damals noch nicht wusste ist, das die Menschen hier wirklich wenig unternehmen. Sich für das Wochenende etwas vorzunehmen, oder
einen Ausflug zu machen ist eher die Ausnahme.
Wahrscheinlich hauptsächlich für mich, waren wir dann Pizza essen und sind am Samstag zum Wat Banan Berg gefahren, wo es einen Tempel und den neuen Bamboo Train geben soll. Ich war ein bisschen enttäuscht das ich keins von beiden sehen konnte, habe mir aber später sagen lassen das der neue Bamboo train sowieso nur eine Touristenfalle ist und man lieber den alten Bamboo train (den es angeblich nicht mehr gibt) nehmen soll.
Stattdessen habe ich einen typischen Khmernachmittag verbracht, bei dem wir unseren eigenen Reiskocher und unser eigenes Essen
mit in ein Restaurant gebracht haben und hauptsächlich gegessen und uns ausgeruht haben.
Der Enkel meiner Gastmutter schien ziemlich gelangweilt, weil es dort draußen kaum Netz oder Wlan gab und was soll man da denn den ganzen Tag machen?!
Danach haben wir in einer kleinen Hütte noch Mittagsruhe gehalten und sind dann zurück gefahren.
Für mich war das ein Gefühl von: das wars schon? Aber man darf halt nicht überall das Maß eines Touristen anlegen.
Zwei Wochen darauf bekam ich relativ spontan Besuch von Annika, denn es sind Feiertage und das ganze Land fährt nach Hause um die Familie zu besuchen.
Das Fest heißt Pchum Ben und ist ein 15-teagiges Fest bei dem den Vorfahren und Verstorbenen gedacht wird.
Die letzten drei Tage sind Feiertage und alles hat geschlossen, damit die Menschen zu den Pagoden gehen und mit ihren Familien feiern können.
So wollen wir beide die Zeit nutzen und ein bisschen was von Battambang sehen.
Auf Empfehlung einer Bekannten haben wir also den alten Bambootrain besucht, der sehr wohl noch existiert (nur eben nicht offiziell).
Wir bezahlten fünf Dollar und während ich mich noch wunderte wo die Wagen sind, hob jemand zwei Axen und ein Brett+ Motor auf die Gleise.
Dann ging es auch schon mit ohrenbetäubenden Krach los.
Während der Fahrt kann man die wunderschöne Landschaft und den kühlen Luftzug genießen (und nicht zu sehr den Zustand der Bretter und Nägel beachten).
Zweimal wurde gehalten und der eine “Wagen” vom Gleis genommen, damit der andere weiter fahren konnte.
Am Ende der Fahrt sollten wir uns ausruhen und wenn möglich natürlich etwas kaufen, bevor es wieder zurück ging.
Definitiv ein Must-Do, wenn man mal Battambang besucht.
Am Sonntagmorgen besuchten wir dann mit unserer Gastfamilie eine Pagode, so wie es hier traditionell üblich ist. Die ganze nahe und entfernte Familie hatte sich dafür versammelt.
Dabei bringen die Kambodschaner den Mönchen der Pagode Essen und beten mit einem Mönch am Grab eines Vorfahren.
Ich habe gefragt wessen Grab das ist, aber das konnte mir niemand aus der Familie so richtig sagen.
Danach geht es wieder nach Hause und es wird gegessen.
Außerdem besuchte ich mit Annika und meiner Freundin Khemy die Reisfelder. Auf dem Weg dahin muss man mit nassen Füßen
rechnen, aber die Aussicht und die wunderschöne Natur ist es definitiv wert. Ist also quasi nur ein lauwarmes, etwas dreckiges
Fußbad inklusive.
In der Dämmerung sind wir dann zu den Fledermaushöhlen (engl. Batcaves) gefahren, die in einem nicht enden-wollenden Strom aus den Höhlen fliegen.
So haben wir ein paar erlebnissreiche Tage verbracht, bevor Annika wieder in den Bus Richtung Kep stieg.
Die Woche drauf ging dann etwas alltäglicher wieder los.
Dreimal die Woche habe ich Sprachunterricht in dem ich die Basics der Landessprache Khmer lernen soll. Keine leichte Sache da man gern Worte einkürzt, das Ende verschluckt und man es bei der Aussprache sehr genau nehmen muss damit man verstanden wird. Aber Übung macht ja bekanntlich den Meister und so versuche ich mit Leuten zu sprechen wo es geht und erfreue die Einheimischen wenn ich ein paar Worte verstehe und sagen kann.
Ein weiteres großes Thema ist das Essen: wer Vegetarier ist oder keinen Reis mag wird es hier definitiv ein bisschen schwerer haben...
Es gibt die verschiedensten Variationen von Fleisch, Fisch, mir unbekanntem Gemüse und unbekannten Gewürzen (manchmal sehr scharf) und dazu immer Reis. Meist finde ich etwas das mir schmeckt, aber bin etwas vorsichtig was Fisch mit Gräten und Tierinnereien angeht. Es ist nicht immer mein Geschmack, aber definitiv sehr gesund.
Delikatessen sind aber definitiv nicht meins... unter anderem gab es an den Feiertagen: Frösche, Schnecken, frittierte Heuschrecken und noch ein anderes Insekt das ich nicht ganz identifizieren konnte. Der Neugierde halber hätte ich es gern probiert, aber konnte mich dann doch nicht dazu durchringen.
Zum Glück gibt es auch viele Varianten von frittiertem Essen, Kuchen (meist aus Reis),Früchten und Desserts die ich zu gern esse (sehr gefährlich). Europäisches Essen ist eher schwer zu finden oder halt nur für einen ordentlichen Aufpreis, da es ja importierte Güter sind. Wenigsten meinen geliebten Kaffee kann ich weiterhin genießen, auch wenn man den nur Instant und meist mit viel Zucker findet.
Wenn man einkaufen gehen möchte, sollte man am Besten auf den Markt gehen. Hier kann man entweder Suppen oder Beilagen direkt kaufen oder bekommt die Zutaten für relativ günstiges Geld. Allerdings sollte man ein bisschen wissen was wieviel kostet um als "Barang"(wörtlich Franzose betitelt aber alle hellhäutigen Ausländer) nicht über den Tisch gezogen zu werden. Falls man Spaß am Feilschen hat ist man aber an der richtigen Stelle.
Ich glaube zum Essen werde ich hier auch in Zukunft noch viel berichten können...
Letzte Woche war dann das Wasserfestival, was am Ende der Regenzeit gefeiert wird. In Phnom Penh findet es leider dieses Jahr nicht statt, aber zum Glück durfte Battambang es organisieren.
Die Woche über gab es schon den Markt mit vielen verschiedenen Ständen mit Kleidung, Essen, und was man sich so vorstellen kann. Ich habe mir ziemlich die Füße wund gelaufen, weil ich unbedingt alles entdecken wollte. Sogar auf das etwas zu schnelle und nicht sehr solide wirkende Riesenrad habe ich mich am Ende getraut... Das fremde Mädchen neben mir fand es wohl auch ziemlich aufregend, sie hat jedenfalls meinen Arm die ganze Fahrt nicht losgelassen...
Und am Sonntag und Montag war dann das Highlight des Festivals: die Bootsrennen. Dabei treten Teams aus allen Provinzen und Communitys aus der Umgebung gegeneinander an: von 10 bis 60- Mann stark, Teenager oder Erwachsene, Männer oder Frauen-Teams war alles dabei. Immer zwei Teams gleichzeitig treten gegeneinander an und fahren in den Drachenbooten um die Wette.
Tausende von Menschen jeden Alters stehen am Ufer und bewundern das Spektakel in der Hitze der Mittagssonne. Ich mitten unter ihnen und beneide die Voraussicht der Kambodschaner die mit Hüten, Schirmen und langer Kleidung ausgestattet sind, um sich gegen die Sonne zu schützen. Wenigstens eine gute Sicht auf die Boote ist mir immer sicher, da ich die meisten Menschen um mindestens einen halben Kopf überrage. Die Rennen gingen Sonntag und Montag für mehrere Stunden. Am Ende der Feierlichkeiten wurde dann der Sieger gekürt, und es gab ein großes Feuerwerk.
Wie man also sehen kann wird es nie langweilig, doch ich denke das war erstmal genug von mir.
Ich hoffe du konntest einen kleinen Einblick in meine erste Zeit und Kambodscha bekommen!
Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Mal :)