Unerwartet früh zurück nach Deutschland

Und plötzlich bin ich wieder hier in Deutschland und das nun schon seit fast drei Monaten, obwohl ich doch eigentlich immer davon ausging, bis Ende Juli in Mexiko zu bleiben. Aber bevor ich von meiner unerwartet frühen Abreise erzähle, werde ich erst von meinen letzten Wochen in Mexiko berichten.

Meine letzten Wochen in Mexiko waren sehr erlebnisreich.
Ich durfte unter anderem zum Beispiel eine typisch mexikanische Quinceañera-Feier miterleben. Hierbei feiert man den 15-jährigen Geburtstag der Quinceañera (übersetzt Fünfzehnjährige) und ehrt ihren Übergang vom Kind zur Frau. Meist wird ein riesiges Fest veranstaltet. Die ganze Großfamilie, Nachbarn und Freunde werden eingeladen. Auch ich war also eingeladen und gemeinsam mit einem Freund besuchten wir die Dankes-Messe, welche mich ein wenig an die einer Hochzeit erinnerte. Die Quinceañera saß perfekt gestylt in einem prunkvollen Kleid mit viel Tüll und Glitzer vor dem Altar, während die Freunde und Verwandten dahinter Platz nahmen. Nach der Messe wurden viele Fotos gemacht und anschließend ging es in einen aufwendig geschmückten Festsaal, um mit der richtigen Party zu beginnen. Es gab ein mehrgängiges Menü, während live eine Band spielte. Die zu Beglückwünschende hatte einen Tanz mit vier Jungs einstudiert und tanzte anschließend einen Walzer mit ihrem Vater. Mit der Zeit kam die Feier immer mehr in Schwung. Bis spät in die Nacht wurde getanzt und gesungen. Ich fand es sehr beeindruckend zu sehen, wie viel Aufwand in eine Quinceañera-Feier gesteckt wird. Manche Familien sparen schon Jahre zuvor, um diesen Tag besonders glamourös feiern zu können.

Auch mit den Jungs aus dem Kinderheim konnte ich noch einiges erleben. Hiermit meine ich nicht nur, dass ich abends oft noch länger in Haus zwei mit den etwas älteren Jungs Karten oder Gitarre gespielt habe, sondern auch, dass wir an den Wochenenden ein paar Ausflüge machten. Gemeinsam mit allen Jungs gingen wir zum Beispiel in das Freibad in Puebla. Wir schwammen, tauchten und spielten Ball- oder Kartenspiele. Es hat allen sehr viel Spaß gemacht. Die Kinder waren viel am Lachen, was besonders schön zu sehen war.

Einen meiner beeindruckendsten Ausflüge unternahm ich kurz vor meiner Abreise mit meiner Gasttante. Von Puebla aus ging es früh morgens in Richtung Norden in die Kleinstadt Cuetzalan. Schon von weitem sah man das Gebirge Sierra Norte de Puebla, welches wir immer mehr zusteuerten. Während wir uns auf kleinen Straßen durch die dichtesten Wälder in den Bergen schlängelten, sahen wir immer wieder kleine Hütten am Straßenrand. Schon bald erreichten wir die archäologische Ausgrabungsstätte von Yohualichan, bedeutende Tempelpyramiden inmitten eines kleinen Dorfes. Anschließend setzte sich die Reise fort und wir erreichten Cuetzalan. Von weitem konnten wir den großen Kirchturm sehen und entdeckten auch schon bald den Rest der Stadt. Über verwinkelte Straßen gelangten wir zum Hauptplatz, es war gerade Markttag. Bauern verkauften an Ständen ihre Ernte und überall roch es köstlich nach Essen, wie beispielsweise nach den typischen Tlacoyos, frittierte Maisteigtaschen gefüllt mit Fleisch oder Kaktus. Auf dem Markt hörte man überall Musik, es schien ein Fest im Gange zu sein. Manche Menschen pfiffen auf kleinen Holzflöten Lieder und trommelten im Takt. Mir fiel auf, dass sich die Menschen Cuetzalans nicht auf Spanisch, sondern auf Nahuatl verständigten, eine Sprache, die noch aus der Zeit vor der Kolonialisierung stammt. Obwohl in der Schule mittlerweile auf Spanisch unterrichtet wird, pflegen die Menschen vor Ort ihre ursprüngliche Sprache und bringen diese ihren Kindern bei.

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Ende März musste ich aber unerwartet früh zurück nach Deutschland reisen. Auch in Mexiko verbreiteten sich Informationen zum Thema Covid-19. Zuerst wurde alles noch sehr harmlos gesehen, die Mehrheit nahm die Lage nicht sonderlich ernst. Man wusste zwar von Erkrankten in Europa und Asien, in Mexiko waren aber bislang kaum Fälle bekannt. Ende März wurden trotzdem nach und nach die Schulen geschlossen, die Osterferien sollten etwas früher beginnen. Der Alltag und das Leben in Mexiko liefen abgesehen davon aber normal weiter. Dementsprechend überraschend war für mich die Nachricht der frühzeitigen Abreise, die mich zwei Tage vor meinem Rückflug erreichte. Alles war sehr kurzfristig und musste schnell gehen. Bevor die Grenzen Deutschlands schlossen, sollten alle Freiwilligen zurückgekehrt sein. Da ich schon am darauffolgenden Tag nach Mexiko-Stadt fuhr, blieb mir nur noch ein Tag in Puebla, um mich zu verabschieden, zu packen und Mitbringsel zu kaufen. Tatsächlich gelang es mir, meinen engsten Freunden, meiner Gastfamilie und den Jungs noch „Tschüss“ zu sagen. Nach einer etwas emotionalen Nacht, die ich hauptsächlich mit dem Abschied und Packen verbracht habe, ging es am nächsten Morgen auf nach Mexiko-Stadt. Ich war froh, auch dort die Jungs und zumindest einen Teil meiner Freunde nochmal sehen zu können. Am darauffolgenden Tag saß ich auch schon im Flieger und trat meine Rückreise nach Deutschland an, ausgestattet mit Mundschutz und Desinfektionsmittel.

Abschiedsbild mit den Jungs und den Mitarbeitern aus Puebla

Nach meiner Abreise wurde die Situation Mexikos jedoch nach und nach ernster, wie mir meine mexikanischen Freunde berichteten. Schon bald sollte jeder in Quarantäne bleiben. Anfangs wurde diese Maßnahme jedoch häufig ignoriert und das Virus verbreitete sich unglaublich schnell. Mittlerweile isoliert sich jedoch die große Mehrheit weitestgehend und bleibt in Quarantäne, zumindest weiß ich das aus Puebla und Mexiko-Stadt. Mitte April war die Pandemie besonders schlimm, viele Menschen verloren ihren Job. Momentan darf man das Haus immer noch nur für das Nötigste verlassen und die Schulen und Unis bleiben geschlossen. Viele Menschen arbeiten weiterhin online, die ersten gehen mittlerweile aber auch schon wieder zur Arbeit.

Rückblickend hat mich meine Zeit in Mexiko um unglaublich viele Erfahrungen bereichert, ich habe mich sehr wohl gefühlt. Ich habe die Herzlichkeit der MexikanerInnen erfahren, Freundschaften geschlossen und immer wieder Einblicke in die Vielfalt Mexikos bekommen. Nach wie vor bin ich mit meinen mexikanischen Freunden, meiner Gastfamilie und den Projektpartnern regelmäßig in Kontakt. Ich hoffe, dass ich bald nach Mexiko reisen kann, um sie wieder zu sehen.

Ich hoffe, durch meine Blogeinträge konnte ich euch gut an meinen Erlebnissen teilhaben lassen. Vielen Dank fürs Lesen.

Liebe Grüße
Phoebe