Und plötzlich war alles anders

Corona- davon hatte ich auf jeden Fall in Benin bereits etwas mitbekommen. Freunde und Familie beichteten von den Veränderungen und Maßnahmen in Deutschland, Bekannte brachen ihre Reisen frühzeitig ab und man hört von tausenden Todesfällen weltweit. Trotzdem schien in Dogbo die Welt noch ganz in Ordnung zu sein. Meine beninischen Freunde glaubten fest daran: uns trifft es nicht, eine Rückreise nach Deutschland wirst du auch nicht antreten müssen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie zumindest damit recht, dass Benin recht unverschont ist und bleiben wird. Bis heute (16.06.2020) nur 483 Infizierte und 9 Tote. Umso überraschender und trotzdem „wie aus dem Nichts“ kam am Dienstag, den 17.03., die Benachrichtigung zur obligatorischen Rückreise.

Angespannt war die Situation jedoch schon am Montag, genau vor drei Monaten. Meine amerikanische Freundin Carly kam gegen Mittag in unser Büro und teilte uns mit, dass alle Freiwilligen ihrer Organisation zurückgeholt werden. Und dass sie bereits morgen abfahren müsse. Das war schon mal ein großer Schock. Ich war unglaublich traurig, ist denn Dogbo ohne Carly nicht mehr wirklich Dogbo. Gleichzeitig fing auch ich an, mich zu fragen, ob ich denn auch zurück müsse. Die Nacht von Montag auf Dienstag war recht kurz. Ich informierte mein Eltern über die Neuigkeiten und meine Sorgen, ebenfalls abbrechen zu müssen. Des Weiteren begleitete ich Carly zu ihrer Wohnung und half ihr ihre Sachen zu packen.

Am nächsten Morgen erhielt ich kurz nach meiner Ankunft im Büro die Nachricht, dass auch wir weltwärts- Freiwilligen zurück nach Deutschland müssen und ich so schnell wie möglich meine Sachen packen solle. Um ehrlich zu sein, brach in diesem Moment für mich eine Welt zusammen. Trotzdem schaffte ich es – oder besser gesagt, versuchte ich es – Ordnung in meine Unterkunft zu bringen. Was sich alles in 8 Monaten in so einem Haus alles ansammeln kann! Glücklicherweise hatte ich sowohl beim Aufräumen, als auch beim Durchstehen dieser Situation Unterstützung von Caro. Sie ist ebenfalls eine Deutsche, welche seit Mitte Februar mit freiwillig im Projekt arbeitete. Sie war wirklich eine große Stütze. Zusammen versuchten wir das Haus auf Vordermann zu bringen und uns gegenseitig zu trösten. Denn auch sie musste vorzeitig abreisen, obwohl sie privat her kam.

Als ich am Nachmittag erfuhr, dass ich bereits am darauffolgenden Tag in den Flieger Richtung Heimat steigen sollte, verstand ich die Welt nicht mehr. Warum? Wie? Das geht doch nicht!

Aber es klappte. Ich benachrichtigte meine beninischen Freunde und packte nebenbei weiter meine Sachen. Zum Glück durfte ich zwei Gepäckstücke verwenden, das erleichterte den Packprozess erheblich. Während Abends meine Freunde eintrudelten, um mich ein letztes Mal zu sehen, musste ich gleichzeitig weiter packen. Die Nacht war noch kürzer als die vorherige.

Letztes Gruppenbild mit den Kollegen der ONG ESI
Letztes Gruppenbild mit den Kollegen der ONG ESI

 

Da mein Flug erst gegen Mitternacht ging, konnte ich am Mittwoch, den 18.03., noch einmal ins Projekt und mich von den Azubis und Kollegen verabschieden. Das war nicht einfach, aber ich bin unglaublich dankbar, diese Zeit noch gehabt zu haben. Das letzte Abendteuer war dann die Autofahrt zum Flughafen. Charles, der Fahrer des Projekts, Basile, mein Mentor, Caro und ein guter beninischer Freund begleiteten mich. Wir hatten mit Carly vereinbart, uns am Flughafen zu verabschieden. Ihr Flug ging früher als meiner und somit sollte das eigentlich kein Problem werden. Eigentlich. Eine Autopanne machte uns jedoch einen Strich durch die Rechnung. Nach einer Stunde des Wartens, schafften wir es gerade noch rechtzeitig Carly ein letztes Mal zu drücken.

 

Ein letztes Bild mit einigen Azubis des Projekts. Angelehnt auf eine miteinander durchgeführte Yoga-Stunde
Ein letztes Bild mit einigen Azubis des Projekts. Angelehnt auf eine miteinander durchgeführte Yoga-Stunde

Und dann hieß es auch für mich: Abschied nehmen, in den Flieger und ab nach Deutschland. Dort erwartete mich meine Familie und auch, wenn ich mich freute sie wieder zu sehen, hing mein Herz noch in Benin. Jene vergangenen Tage und die darauffolgenden Wochen waren nicht leicht, dennoch fühlte ich mich durch das KMW und meine Familie gut betreut. Ich konnte mich in der Gewissheit wiegen, jeder Zeit auf ein offenes und unterstützendes Ohr bei meiner Entsendeorganisation zu stoßen. Aber auch meine beninischen Freunde und Kollegen von der ONG ESI halfen mir bei meinen Reisevorbereitungen. Ich bin dankbar, dass ich von jeder Seite auf Verständnis stieß und fühlte mich jederzeit gut umsorgt. Und das nicht nur während des plötzlichen Abbruchs, sondern auch über meinen ganzen Freiwilligendienst hinweg. Die Erfahrungen und Erlebnisse meiner 8 Monate in Benin will ich auf keinen Fall missen und bin dankbar dieses Traum ermöglicht bekommen zu haben.

 

Ganz liebe Grüße

Eure Hannah