Piñata, Posada und Ponche – die Weihnachtszeit in Mexiko
Spätestens ab dem 12.12 ist jedes Haus weihnachtlich verziert. Dieser Tag ist nämlich der Tag der heiligen Jungfrau Maria aus Guadalupe, an welchem halb Mexiko nach Mexiko-Stadt pilgert, um sie in der Basilica de Guadalupe anzubeten und um Hilfe zu bitten. Die, die nicht nach Mexiko-Stadt pilgern, beten meistens bei sich daheim, in der Firma oder in den Schulen Rosenkranz, um um Vergebung zu bitten, wozu meist die ganze Großfamilie und Nachbarschaft zusammentrifft. Es werden Lieder gesungen und anschließend gibt es Essen für alle. Während dem Gebet sind alle der Jungfrau Maria zugewandt, die sich auch in so gut wie jedem Haus findet – egal ob in Wohnungen, Läden, Firmen oder Schulen. Auch draußen sieht man sie so gut wie an jeder Straßenecke. An sich fällt in Mexiko auf, dass die Menschen sehr katholisch sind. Die Messen sind hier sonntags richtig voll, die Menschen möchten vom Pfarrer gesegnet werden und kommen dafür mit kleinen Rosenkränzen oder Reliquien nach der Messe zu ihm. In so gut wie jedem Auto hängt am Innenspiegel ein Rosenkranz und zur Verabschiedung wünscht man seinem Gegenüber meist, dass Gott ihn behüte.
Am 16.12 war die Posada des Kinderheims, das wichtigste Fest des Projekts, zu dem alle Bekannten eingeladen werden. Das ganze Haus wurde weihnachtlich geschmückt, sowohl der Weihnachtsbaum als auch die Krippe aufgestellt und ganz viel „Ponche“, eine Art Punsch, gekocht. Abends sind viele Gäste eingetroffen, alle haben sich zusammen versammelt und nach einem Gebet ging es auf die Straße. Zusammen mit ein paar Freunden haben wir Weihnachtslieder mit der Gitarre begleitet. Singend mit Kerze und Liedblatt in der Hand sind alle zu dem Haus der Pfarrer gegangen, um dort das typische Posada-Lied zu singen.
Als wir kurze Zeit später wieder zurück in Haus eins gekehrt waren, gab es das Piñata-Schlagen.
Das Piñata-Schlagen ist eine langjährige mexikanische Tradition, die es vor allem auf Geburtstagen oder bei den weihnachtlichen Posadas gibt. Die Piñata ist eine große, mit Süßigkeiten gefüllte Pappmaschee-Figur, normalerweise in der Form einer Kugel mit sieben Stacheln. Traditionell stehen die Spitzen für die sieben Todessünden und symbolisieren somit das Böse. Während man diese zerschlägt, löst man sich davon, die nun herausfallenden Süßigkeiten werden traditionell als Segen für die Teilnehmer gesehen. Der Stock, der zum Schlagen benutzt wird, steht für die Kraft, die Gott einem gibt, um das Böse zu bekämpfen.
Auch bei der Posada im Projekt hat ein Kind nach dem anderen mit einem Holzstab die Piñata geschlagen, begleitet von dem typischen Piñata-Lied. Hört dieses Lied auf, folgt ein neues Kind. Sobald die Süßigkeiten herausfallen, stürzen sich alle darauf, um möglichst viel zu ergattern. Hierbei kann es auch zu den ein oder anderen Streitigkeiten kommen, es wird dabei nämlich niemandem etwas geschenkt. Nachdem die dritte Piñata zerschlagen war, wurde bei leckerem Essen gequatscht und Karaoke gesungen. Es war echt ein schönes Fest.
Mit dem 16.12 war nun offiziell die Woche der Posadas eröffnet, von nun an gab es jeden Abend bis zu Heiligabend eine Posada – mal mit mehr, mal mit weniger Leuten; mal im Jungenheim, mal bei Freunden. Wenn man in dieser Zeit durch die Straßen läuft, hört man überall die Leute singen und sieht, wie sie mit Kerzen durch die Straßen ziehen. Oft läuft man auch von Haus zu Haus, singt gemeinsam, segnet die Krippe und bekommt anschließend Essen geschenkt, egal ob die Familie einen kennt oder nicht.
Heiligabend habe ich im Jungenheim in Mexiko-Stadt verbracht. Am 21.12 bin ich hingefahren und es ging natürlich auch direkt wieder auf eine Posada. Meine Familie war über die Weihnachtstage auch in Mexiko, was natürlich super schön war. Ich habe mich sehr gefreut, meine Eltern und meinen Bruder nach fast einem halben Jahr wieder in meinen Armen halten zu können. Sie konnten so Mexiko besser kennenlernen und sehen, wie ich in Mexiko-Stadt gelebt habe und wen ich kennengelernt habe. Auch haben sie das Kinderheim dort gesehen, wo es am darauffolgenden Tag mit allen Jungs ein Piñata-Schlagen gab. Hierbei kam echt Stimmung auf und es ging natürlich nicht ohne einen Kampf um die Süßigkeiten aus. Wie in Deutschland auch gehen alle an Heiligabend in die Messe, die an sich auch ziemlich der deutschen gleicht. Was mich jedoch ein bisschen gewundert hat, dass alle mit mindestens einer Porzellanpuppe in die Kirche kamen. So gut wie jeder wog in seinen Armen liebevoll ein in Decken eingehülltes Porzellanbaby, als sei es das eigene Kind. Diese Puppe ist das Jesuskind, dass der Pfarrer in der Messe segnet, ehe es zu Hause in die Krippe unter den Weihnachtsbaum gelegt wird.
Mit meiner Familie war ich über Silvester in Oaxaca, einer super schönen und vor allem vielfältigen Stadt. Für mich war es das erste Mal, dass ich für mehrere Tage zu einem weiter entfernten Ort gereist bin, was echt schön war. An sich ist Mexiko unglaublich vielfältig, vor allem was die Natur angeht. Von Wüsten über Dschungel, Gebirge, Vulkane und Pyramiden bis hin zu türkisblauem Meer an weißen Stränden gibt es in diesem Land wirklich alles zu sehen. Hoffentlich kann ich bald noch mehr des Landes erkunden.
Heimweg von Oaxaca nach Puebla
Anschließend bin ich mit meiner Familie nach Puebla gefahren, wo sie die Kinder und Mitarbeiter des Projekts hier kennengelernt haben. Sie konnten sehen, wie das Projekt hier in Puebla ist und auch meine Gastfamilie kennenlernen. Das schöne ist, dass sie sich jetzt alles viel besser vorstellen können, wenn ich von meinem Auslandsjahr spreche. Meine Eltern und mein Bruder konnten sehen, dass es mir hier sehr gut geht und ich schon gut Anschluss gefunden habe. Natürlich war es dann wieder etwas schwer, Abschied zu nehmen. Aber hier ging es mit den Events weiter, weshalb gar nicht viel Zeit war, darüber nachzudenken.
Der 06.01 ist mit dem 06.12 in Deutschland vergleichbar. Einen Tag vorher schreibt jedes Kind eine Wunschliste, um sie unter sein Kopfkissen zu legen. Diese ist aber nicht für den Nikolaus, sondern für die heiligen drei Könige, die in der Nacht zum 06.01 die Geschenke in jedes Haus bringen. Auch die Kinder aus dem Jungenheim hier in Puebla wurden reichlich beschenkt. Jedem haben sie stolz ihre Errungenschaften präsentiert, den ganzen Tag über wurde damit gespielt.
Außerdem wird am 06.12 in jeder Familie eine Rosca gegessen. Die Rosca ist eine Art ringförmiger Zopf, die 2-3 kleine weiße Jesuskinder im Teig versteckt hat. Auch in dem Jungenwohnheim haben wir eine Rosca gegessen. Haus eins, zwei und drei haben sich versammelt und jeder nach und nach ein Stück des Zopfs bekommen. Derjenige, der eines der drei Jesuskinder bei sich im Stück findet, muss am 02.02 Tamales (eine Maismasse mit Chili, Hühnchen oder süß mit Zucker) Atole (warmes süßes Maisgetränk) oder einen Nachtisch mitbringen. Dieses Jahr sind alle drei Jesuskinder zufälligerweise an Jungs aus Haus zwei gewandert, weshalb es am 02.02 in dessen Haus ein gemeinsames großes Essen für alle gab.
Wie ihr seht habe ich die besinnliche Weihnachtszeit schön verbringen können und dabei eine ganz neue Art und Weise kennengelernt, Weihnachten zu feiern. Es war schön, die Weihnachtszeit auch einmal so zu erleben.
Liebe Grüße aus Puebla
Phoebe