Tupananchiskama- Bis uns das Leben wieder zusammen bringt

Vor ziemlich genau drei Wochen bin ich am Frankfurter Flughafen gelandet. Nach elf Monaten Ecuador war ich jetzt also wieder in Deutschland. Während die Reise sehr ruhig verlief, durchlebte ich innerlich eine chaotische Gefühlsachterbahn: meine Gedanken hingen noch an den Menschen, von denen ich mich in den letzten Tagen und Wochen verabschieden musste und allein in den Flughäfen waren die Unterschiede zwischen Ecuador/Lateinamerika und Deutschland bzw. Europa sehr eindrücklich und in so kurzer Zeit war ich auf einmal so weit von meinem Zuhause des letzten Jahres entfernt und fast wieder in Deutschland, meinem anderen Zuhause. Gleichzeitig freute ich mich aber auch, bald meine Familie wieder in den Arm nehmen zu können und einfach wieder richtig anzukommen.

Aber von vorne, denn zwischen meinem letzten Blogbeitrag und meiner Ankunft in Deutschland ist noch einiges passiert.

Im Juni kam eine Gruppe US-amerikanischer Ärzte und Ärztinnen, Medizin-Studierende und Krankenpflegerinnen nach Quito, um im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der  “Fundación tierra nueva“ in den südlichen Randgebieten Quitos fünf Tage lang für die Menschen dort kostenlose ärztliche Sprechstunden anzubieten und kostenlose Medikamente zu verteilen. Da kurzfristig die eigentliche Übersetzerin ausgefallen ist, habe ich die Gruppe die Woche über begleitet, habe zwischen den ecuadorianischen Organisatorinnen und den US-Amerikaner*innen und während der Sprechstunden übersetzt und bei den sonstigen anfallenden logistischen Aufgaben geholfen. Für mich war diese Erfahrung eine zwar anstrengende, aber interessante und abwechslungsreiche Erfahrung vergleichend zu meiner Arbeit im “Centro de jóvenes“ und ich habe nochmal einen anderen, von extremer Armut betroffenen Teil der Hauptstadt kennengelernt. Da ich bei dieser Zusammenarbeit auch am Wochenende arbeiten musste, bekam ich zwei Tage Urlaub, die ich natürlich ausnutzte: Anfang Juli hatte ich das große Glück, an die Pazifikküste fahren zu können und dort Buckelwale zu beobachten! Das war für mich ein großes Highlight und sehr beeindruckend. 

Buckelwal in Puerto López

Nach diesem Trip an den Strand begannen für mich die letzten Wochen in Quito, bei meiner Gastfamilie, meinen Freunden und Freundinnen und im Projekt mit den Jugendlichen. Gerade in Ecuador gehören zum Abschied nehmen auch Abschiedsfeiern dazu, also durften die nicht fehlen. Meine Gastfamilie mit allen die dazu gehören und Freund*innen wurden zu uns nachhause eingeladen, wir haben sehr lang und mit viel Ehrgeiz von meine Gasteltern vorbereitete Spiele gespielt und dabei viel gelacht, getanzt und es gab viel leckeres Essen. Besonders in meiner Gastfamilie ist es sehr üblich, bei jeder Gelegenheit „palabras“ (=Worte, also eine kleine Rede halten) zu sagen. So auch bei meiner Abschiedsfeier, was für mich sehr emotional war, weil wir  uns alle gemeinsam an das vergangene Jahr erinnert haben und es für mich sehr besonders war, fast alle Menschen, die mir während meines Freiwilligendienstes so stark ans Herz gewachsen sind auf einmal bei mir zu haben. Gerade an diesem Abend war ich so dankbar für all die neuen Freundschaften und Beziehungen, die ich in Ecuador geknüpft habe und die natürlich vor allem während meiner Zeit dort, aber sicherlich auch noch in der Zukunft, wichtiger Teil von mir sein werden.

Pantomime spielen auf meiner Abschiedsfeier
Meine Gastfamilie und ich bei meiner Abschiedsfeier

Dann stand auch noch der Abschied in meinem Projekt bevor, im „Centro de jóvenes“. Wie ich auch schon in meinem letzten Beitrag erzählt habe, waren die Jugendlichen nie begeistert von meiner Rückkehr nach Deutschland und das ließ auch in den letzten Tagen nicht nach. „Lleeeeeevanos, Sophi!“ („Nimm uns miiiiiiit, Sophi!“) hieß es dann mehrmals am Tag. Natürlich fiel auch mir der Abschied nicht leicht, denn jede einzelne Person im Zentrum habe ich mit der Zeit sehr lieb gewonnen und zu schätzen gelernt und die Arbeit mit den Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung war ein zentraler Bestandteil meines Freiwilligen Internationalen Jahrs. Ihre ansteckende Freude und Lachen und die so ehrliche und natürliche Herzlichkeit sind sehr einzigartig und vermisse ich jetzt schon. Glücklicherweise haben wir an meinem letzten Tag im Projekt eine Geburtstagsfeier für die Juli- und August-Geburtstagskinder veranstaltet, Karaoke gesungen und getanzt, sodass wir vor allem viel Spaß hatten und die Trauer nicht so sehr im Vordergrund stand.

Die Jugendlichen meines Projekts mit ihren Armbändern, die ich zum Abschied gemacht habe

Irgendwann war dann der immer so weit entfernt liegende 30. Juli und ich musste mich jetzt wirklich von meiner Gastfamilie verabschieden. Es war zwar ein sehr trauriger Abschied, weil wir in den letzten elf Monaten eine sehr schöne und enge Bindung aufgebaut haben und niemand weiß, wann wir uns das nächste Mal wieder sehen werden, ich denke aber über den Abschieds- und Abschlussschmerz meines Freiwilligendienstes hinaus, dass meine Zeit dort vielleicht jetzt ein Ende hat, die ganzen Eindrücke und die Menschen aber weiterhin Teil von mir bleiben und es mich sicherlich wieder nach Ecuador ziehen wird. Wie es auf „Quechua“ (indigene Sprache der Andenregion) so schön heißt: „Tupananchiskama“ („Hasta que las vida nos vuelva a encontrar.“/ „Bis uns das Leben wieder zusammenbringt.“).