Von vielen Welten auf einer Erde
Ihr Lieben,
Vergangene Woche war ich in Aachen zum Rückkehrerseminar. Gekommen sind alle Freiwilligen, die dieses Jahr in einem der von missio oder dem Kindermissionswerk unterstützten Projekte gearbeitet haben. Wir haben über die verschiedensten Dinge diskutiert und uns ausgetauscht (auch mit den Mitarbeitern des kmw und missio). Dabei ging die Themenwahl von Menschenrechte über Klimakollekte und Kulturschock bis hin zu Machtstrukturen, doch es war auch viel Zeit, die vergangenen 12 Monate revuepassieren zulassen, zu reflektieren und Dinge mit etwas Abstand noch einmal ganz anders zu sehen. Ich habe dies sehr genossen. Viele Erinnerungen kommen mir weit weg vor und mussten noch einmal hochgelockt werden, da mittlerweile mehr als drei Monate vergangen sind seit unserer plötzlichen Ausreise.
Einmal mehr habe ich auf dem Seminar eine Erkenntnis bestätigt bekommen, die mir schon seit Ende Mai im Kopf herumgeistert: Es gibt viele Länder auf der Erde. Jedes lebt seine eigene Kultur in Sprache, Tradition und Gesellschaftsform aus. Jedes Land ist seine eigene kleine Welt, denn sie funktioniert durch die Menschen vor Ort, die sie leben. Doch komme ich in einen anderen Teil unseres Planeten, so merke ich kaum noch etwas von dem zuvor Erlebten. Nicaragua und Deutschland scheinen sich zum Beispiel kaum zu kennen und zu beeinflussen. Jeder hat seine eigene Welt. Und all diese Welten sind vereint in unserer Erde, für die ich die Verantwortung trage. Und das im vielfachen Sinne:
Ich habe Verantwortung, weil Gott sie mir, jedem einzelnen Menschen, gegeben hat, auch wenn wir das wahrscheinlich oft im Alltag vergessen. Doch ich glaube, dass es Zeit wird, sich das bewusst zu machen. Wie oft höre ich: „Aber ich kann doch alleine auch nichts machen“ Vielleicht. Aber wenn keiner beginnt, den ersten Schritt zu gehen, dann wird nie etwas geschehen. Denn DU machst den Unterschied.
Wie kann ich das machen? Ich kann auf meinen eigenen Konsum achten: Brauche ich wirklich das achte Paar Schuhe oder reicht nicht das aus, was ich habe? Muss ich jetzt in den Urlaub fliegen oder kann ich hier in der Nähe meine Ferien verbringen? Sollte ich mit dem Auto alleine in die Stadt fahren oder kann ich das Fahrrad nehmen, laufen oder die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen? Und wenn es wichtig ist, vielleicht kann ich ja jemanden mitnehmen, damit nicht fünf Leute alleine fahren? Muss ich unbedingt das Gemüse aus Australien essen oder gibt es das auch aus meiner Region? Wenn ich einmal darüber nachdenke, was ich verbrauche, dann ist es einfacher auch zu merken, was davon ich wirklich brauche. Der Reichtum des Landes, in dem wir leben, hat uns viele Möglichkeiten gegeben, doch er birgt auch Gefahren, denn wir sollten ihn nicht auf Kosten anderer Menschen und unserer Umwelt ausnutzen.
Aber ich glaube, dass die Verantwortung, die Gott uns für die vielen kleinen Welten der Erde gab, noch viel weiter geht. Es hat etwas mit Nachhaltigkeit zutun, wie man sagt. Ja, das stimmt. Aber auch mit dem Bewusstsein, was mir geschenkt wurde und eben genau das zu würdigen und zu schützen. Zum Beispiel das einzigartige Geschenk, in Frieden aufzuwachsen. Viele Menschen leben in Angst um sich, Verwandte oder Freunde. Ich habe in den Monaten nach meiner Rückkehr oft gehört: „Man kann ja nicht von allen Konflikten der Welt wissen“ Da stimme ich auch vollkommen zu. Aber trotzdem geht es uns etwas an. Denn vieles kann man vorbeugen. Und zwar, in dem wir zum einen Probleme frühzeitig erkennen und etwas dagegen tun (zugegeben: Das ist leichter gesagt, als getan), uns achten und gegenseitig wahrnehmen und in dem wir zum anderen selbst merken, was Frieden für uns heißt. Suche ich in Lexika nach einer Definition, finde ich unzählige, aber wenn ich darüber selbst nachdenke, merke ich immer wieder, dass man erst dann mit anderen in Frieden leben kann, wenn man selbst seinen Inneren Frieden gefunden hat. Aus sich heraus nach außen reflektieren sozusagen. Denn wenn ich mit vielen Sachen unzufrieden bin und sie nicht ausspreche, dann bricht es irgendwann auf die eine oder andere Weise aus mir heraus. Und es kann große Kreise ziehen.
Mir ist bewusst, dass dies ein ziemlich komplexes Thema ist und nicht auf so ein paar Zeilen eines Blogs heruntergebrochen werden kann und sollte. Aber ich möchte euch einladen, selbst einmal darüber nachzudenken und zu reflektieren, was ihr tun könnt und wo eure Verantwortung beginnt. Vielleicht seht ihr ja noch ein paar ganz andere Aspekte.
Ich möchte euch zu allerletzt noch einmal kurz unabhängig von diesem schwierigen Thema danken, dass ihr mich durch das letzte Jahr begleitet, Blog gelesen und mich unterstützt habt. DANKE sagen möchte ich natürlich auch sagen an alle, die in mich geglaubt haben (besonders ans kmw und missio) und an meine Freunde und Familie in Nicaragua, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Danke, dass ihr mir einen Teil eurer Herzen und eurer Welt geschenkt habt und mich aufgenommen, mich einfach „Ich“ sein lassen habt. Meine Erinnerungen an euch bleiben und ich hoffe, wir sehen uns eines Tages wieder!
Macht es gut. Gott segne euch
Eure LEA