Meine ersten Erlebnisse und Eindrücke

Guadalajara ist mit 1,9 Millionen EinwohnerInnen die zweitgrößte Stadt Mexikos – und ich lebe direkt im Zentrum! Die Metropolregion umfasst rund 5 Millionen Menschen und ist somit die größte Stadt im Bundesstaat Jalisco. Außerdem ist Guadalajara die Hauptstadt Jaliscos und insbesondere für die historische Architektur, die lebendige Kunstszene und die bedeutende Rolle in der Mariachi- und Tequila-Kultur bekannt. Dieses Großstadttreiben ist für mich – in meinem Heimatort leben ungefähr 20.000 Menschen – noch total ungewohnt, aber eine super schöne Erfahrung.

Bei meinem ersten Spaziergang durch die Stadt mit meiner Gastmutter – die mich übrigens sehr herzlich aufgenommen hat – sind mir vor allem die kleinen Stände ins Auge gefallen, wo handgemachte Sachen verkauft werden. Den Schmuck durchstöbernd, ist mir zudem die Straßenmusik aufgefallen, die mich wie eine Hintergrundmusik begleitete. Apropos Musik – In den 80er und 90er Jahren gab es hier eine Band namens „El Personal“, die in einem Lied über das Leben in Guadalajara singen. Viele Orte aus dem Lied „La Tapatia“ habe ich hier in der Stadt wiederfinden können. Fast alle Tapatíos, wie sich die Einwohner Guadalajaras nennen, kennen die Band noch heute. Das Lustige hierbei ist, dass der Gitarrist der Band mein Vater ist, was mich bereits sehr mit dieser Stadt verbindet. 

Leider ist die Armut und der Müll auf den Straßen ein sichtbares Problem. Es ist jedoch schön zu sehen, dass es Menschen gibt, die sich um die Obdachlosen kümmern und ihnen beispielsweise kostenloses Essen anbieten. Trotz dieser positiven Initiativen bleibt die Obdachlosigkeit ein ernstes Problem in Guadalajara.

Kathedrale in Guadalajara

Dank der Freunde meines Vaters und meiner Familie hier habe ich bereits neue Bekanntschaften geschlossen. Und da meine Einsatzstelle noch Ferien hat, hatte ich die Möglichkeit, mit meinen Freunden die Umgebung zu erkunden.

Mein erster Tagesausflug führte mich nach Ajijic, einer malerischen Kleinstadt am größten See Mexikos, dem Chapala-See. Die Stadt war geprägt von bunten Häusern und kleinen Cafés. Besonders beeindruckt hat mich der „Danza del Volador“, eine Tradition aus Veracruz, die an der Strandpromenade vorgeführt wurde. Dabei hängen vier Männer, Voladores, kopfüber an Seilen, die an einem Mast befestigt sind. Während sie Musik spielen, seilen sich die Voladores langsam herab, bis sie schließlich den Boden erreichen.

Am Chapala-See
Danza del Volador

Außerdem besuchte ich Tlaquepaque, eine kleine Stadt neben Guadalajara. Tlaquepaque ähnelt in vielerlei Hinsicht Ajijic – beide Orte sind reich an Kultur, Geschichte und Kunst und einfach wunderschön. Als wir an einer Kirche vorbeigingen und ich einen Blick hineinwarf dachte ich, dass ich eine mexikanische Hochzeit sah. Die Kirche war gefüllt von elegant gekleideten Menschen und vorne stand eine Frau gekleidet in einem hochzeitsähnlichen Kleid. Doch ich lag falsch, denn die Frau war eigentlich ein Mädchen, dass gerade ihren 15. Geburtstag feierte. Ich wusste, dass der 15. Geburtstag in Mexiko eine große Feier ist, aber die tatsächliche Größe und Pracht haben mich sehr überrascht.

Tlaquepaque
15. Geburtstag

 

An einem Tag nahm mich meine Cousine mit zur Feria del Elote (Maisfest). Es war ein riesiges Straßenfest, wo man alles mögliche aus Mais essen konnte. Unter Anderem habe ich Maiswasser, Maischurros, Maismuffins und Maispfannkuchen probiert und wow – ich dachte nicht, dass man so viel leckeres Essen aus Mais herstellen kann. Jetzt fragt man sich: Wieso ein Fest zu Ehren des Mais? Mais ist das Grundnahrungsmittel, das seit Jahrtausenden in Mexiko angebaut wird und eine tief verwurzelte Tradition hat. Beispielsweise in der Maya-Mythologie: Hier wird davon ausgegangen, dass die ersten Menschen aus Maisteig erschaffen wurden, nachdem vorherige Versuche aus Erde und Holz gescheitert waren. Mais symbolisiert also in diesem Fall den Ursprung des Lebens.

Feria del Elote
Maisfest

Wusstet ihr, dass das mexikanische Essen immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe ist? Nicht ohne Grund, denn das Essen, was ich hier bereits gegessen habe, hat oft einen einzigartigen Geschmack. Zum Beispiel die Mole, eine traditionelle Sauce, die für die MexikanerInnen unverzichtbar ist. Sie schmeckt scharf und süß zugleich, was aus der Kombination von Chili und Schokolade hervorgeht. Mir schmeckt die Sauce tatsächlich nicht so gut, was ich hier jedoch am besten nicht zu laut sagen sollte. Außerdem gibt es zu jeder Mahlzeit, egal ob Frühstück, Mittagessen oder Abendessen, Tortillas, die natürlich aus Mais hergestellt sind. Das wohl berühmteste Essen, die Tacos, werden hier etwa mit dem Fleisch der Schweinenase oder Rindgehirn verzehrt, was erst unüblich erscheinen mag, aber eigentlich ganz lecker ist. Typisch für Guadalajara ist die Torta Ahogada: Bolillo (ein typisches mexikanisches Brötchen) in einer würzigen Sauce aus Tomaten und Chilis – sehr lecker.

Markthalle

Aufgefallen ist mir, dass die MexikanerInnen einen großen Nationalstolz empfinden. Ich denke, dass sie besonders stolz sind sie auf ihre Kultur und ihr Essen. Das ist für mich ein sehr großer Unterschied zu den Deutschen, die meiner Meinung nach nicht so einen großen Nationalstolz empfinden oder zeigen, auf Grund der Vergangenheit.

Ich bin sehr gespannt auf die kommende Zeit und werde dann beim nächsten Blogeintrag über meine erste Zeit in meiner Einsatzstelle berichten!