Endlich in Battambang!
Suasdey und Hallo!
Vor acht Wochen bin ich in Kambodscha gelandet. Die ersten Wochen in Kep sind unglaublich schnell vergangen. Und fast vier Wochen lebe ich nun in Battambang, meinem Zuhause fürs nächste Jahr. Ich entschuldige mich gleich vorweg, der Blog ist ziemlich lang geworden.
Wie auch schon bei meinem Flug nach Kambodscha, sollte die Reise von Kep nach Battambang nicht ohne Probleme verlaufen. Ich hatte mir bereits ein paar Tage vor dem „Umzug“ mein Busticket in einem kleinen Office am Kep Beach gekauft. Die Abfahrtszeit war 10 Uhr, die voraussichtliche Fahrtdauer war mit 10 Stunden angegeben. Pünktlich war ich also da und wurde mit meinen Unmengen an Gepäck in einen Mini-Van verfrachtet. Zuerst ging es dann nach Kampot, wo am Office des Unternehmens einige Leute zustiegen. Wir fuhren weiter. Aber nur drei Straßen weiter, an einer Tourist Information, hieß es dann: Alle aussteigen, der „Anschluss“-Van nach Phnom Penh, wo ich auf jeden Fall umsteigen musste, kommt gleich. Okay, war zwar ein bisschen komisch, aber ich habe mir zu dem Zeitpunkt noch keine weiteren Gedanken gemacht. Der nächste Van kam tatsächlich 10 Minuten später und wir wurden eingeladen und fuhren weiter. Aber wieder nur 2 Abzweigung weiter. Da sollten wir wieder Aussteigen und im Office eines anderen Unternehmens warten. Erste Zweifel kam auf…. Ich war mittlerweile seit 1,5 Stunden unterwegs, die ganze Fahrt bis Phnom Penh war mit 3,5 Stunden veranschlagt und ich hatte gerade mal einen winzigen Bruchteil der Strecke hinter mir. Ich saß dann fast noch eine geschlagene Stunde in Kampot rum bevor es dann tatsächlich weiter ging. Wieder in einem Mini-Van, allerdings war dessen Kofferraum schon voll mit so Warmhalte-Boxen, wie man sie von Lieferservicen kennt. Daher wurde die hinterste der vier Sitzreihen zum Gepäcklagern verwenden. Warum ich das erzähle? Ganz einfach: Das hatte zur Folge, dass a) ich meinen Sitz nicht aufrecht aufklappen konnte und nach wenigen Kilometern schon furchtbare Rückenschmerzen hatte und b) die anderen Reisenden, Kambodschaner, die unterwegs zustiegen, sich entweder zwischen das Gepäck quetschen mussten oder teils zu dritt auf einem Sitz saßen. Zwischenzeitlich waren in diesem Van, der auf 12 Personen (inkl. Fahrer) ausgelegt war, 13 Erwachsene und zwei Kinder. Aber das schien niemanden zu stören. Wir fuhren durch viele kleine Dörfer, die Qualität der Straße war schwankend, und nach insgesamt 5 Stunden waren wir schließlich in Phnom Penh. Nachdem dann alle Warmhalte-Boxen quer über die Stadt verteilt ausgefahren waren, wurde ich in einer Art Busbahnhofs-Halle abgesetzt. Allerdings so spät, dass ich meinen eigentlichen Bus um 15 Uhr verpasst hatte. Der nächste Bus würde 4 Stunden später fahren und um 2 Uhr nachts in Battambang ankommen. Von Nachtbusse dieser Organisation wurde mir stark abgeraten aufgrund des hohen Diebstahl und Überfallrisiko, also war ich nun in der Hauptstadt gestrandet. Schnell besorgte ich mir ein Zimmer in einem der nahegelegenen, verfügbaren, bezahlbaren Hotels und ein neues Busticket für den nächsten Tag. Völlig geschafft von den Strapazen genoss ich noch den Ausblick auf die Stadt vom Dach des Hotels und viel total erschöpft ins Bett.
Da mein Bus nach Battambang erst zur späten Mittagszeit abfuhr, machte ich mich auf, um ein bisschen Sightseeing zu betreiben. Der Kontrast vom ruhigen, idyllischen Kep, wo nichts los ist, kaum Verkehr, zur hektischen Großstadt war schon ziemlich krass…. Motiviert machte ich mich auf zum Königspalast…. Den ich dann gar nicht zu Gesicht bekommen habe, da der König und die Minister ein wichtiges Meeting hatten und das Gelände daher für Touristen gesperrt war. Stattdessen machte ich dann eine einstündige Sightseeing Tour per Tuk-Tuk. Der Fahrer konnte zu meinem Glück sehr gut Englisch und erzählte mir einiges zur Geschichte des Landes und zu den Plätzen, zu denen er mich brachte. Ich hatte jeweils kurz Zeit um mich etwas umzusehen und ein paar Fotos zu machen, aber ich werde mir definitiv im Laufe des Jahres nochmal mehr Zeit nehmen um mir noch mehr von Phnom Penh anzuschauen…
Auch Märkte gibt es hier zahlreiche. Direkt vor meinem Hotel z.B. war ein kleiner Markt. Eigentlich war es am Vorabend noch eine normale Straße, aber man nehme dutzende Sonnenschirme und lege große Planen auf den Boden und schon hat man „Marktfeeling“. Die vielfältige Obst-, Gemüse-, Fleisch- und Fischauswahl springt einem sofort ins Auge (bei den Fischen ist das wörtlich zu nehmen, die leben ja noch…). Dazwischen findet man aber auch alles mögliche andere. Töpfereien, Klamotten, Regenschirme und vieles mehr.
Endlich ging es dann weiter nach Battambang! Wieder in einem Mini-Van, dieses mal aber ohne Überfüllung und sonstige Zwischenfälle… Von meiner Kollegin Julie, einer Französin, die für mindestens zwei Jahre hier arbeiten wird, wurde ich abgeholt und in mein süßes, kleines Apartment gebracht. Mein neues Zuhause.
Nachdem es Freitagabend war, ich also noch das ganze Wochenende vor mir hatte, vor meinem ersten Tag im Projekt, wurde mir auch gleich noch das örtliche Nachtleben gezeigt und die wichtigsten Straßenzüge, damit ich mich zumindest annähernd zurechtfinden könnte. Ich habe mein Wochenende dann überwiegend im Supermarkt verbracht…. Mit meinem etwas älteren Fahrrad kann ich nicht so viele Sachen auf einmal transportieren und ich benötigte doch noch einige Küchenutensilien, so dass ich dreimal an einem Tag im Supermarkt war. Kommt vor… Ich muss zugeben, es ist echt ziemlich ungewohnt alleine zu wohnen. In richtigen Mengen kochen hab ich am Anfang nicht so wirklich auf die Reihe gekriegt, ich habe teils dreimal von einmal Kochen essen können. Und auch die Stille in der Wohnung ist am Anfang echt komisch gewesen. Wobei Stille kann man das eigentlich gar nicht nennen, weil die Geräuschkulisse echt enorm ist. In der Nähe meiner Wohnung steht eine Pagode, die gefühlt den ganzen Tag über Lautsprecher Musik spielt. Ich glaube sie beginnt um 5 Uhr frühs, aber sicher bin ich mir nicht…
Am Montag war schließlich endlich mein erster Tag im Projekt! Gespannt, was auf mich zukommen würde, machte ich mich auf den Weg zum Gelände der Komar Rikreay Association (KMR). Mir wurde gesagt, dass ich so zwischen 7:30 und 8 Uhr da sein solle. Ich (mit meiner deutschen Mentalität) war pünktlich (nach meiner Auffassung) um 7:30 Uhr da. Mittlerweile habe ich erfahren, dass eigentlicher Arbeitsbeginn tatsächlich erst so nach 8 Uhr ist. Die halbe Stunde davor ist zum Frühstücken gedacht, da viele Kambodschaner sich ihr Frühstück (= Reis oder Noodles) unterwegs an einem Straßenstand kaufen und dann gemeinsam mit den Kollegen essen. Nachdem ich nicht mein Essen mitbringe, werde ich jeden Morgen gefragt „njam baay haoy?“, was wörtlich heißt „Hast du schon Reis gegessen?“. Prinzipiell wird hier im Bezug auf Essen immer alles mit Reis in Verbindung gebracht: „Hast du Hunger auf Reis?“ oder die Küche wäre z.B. wörtlich übersetzt ein „Haus für Reis“. Naja, dadurch, dass ich abends meist selber koche, esse ich jetzt nur noch einmal am Tag Reis. Denn wie es hier üblich ist, gehe ich mittags in ein kleines Straßenlokal. Das Lokal ist eigentlich nur eine kleine überdachte Fläche, wo eine sehr nette Dame ein dutzend Töpfe mit verschiedenem Gemüse, Suppen und verschiedenem Fleisch anbietet. Alle anwesenden sind immer höchst amüsiert, wenn ich mich mit meinen wenigen Brocken Khmer versuche zu verständigen. Aber es wird echt besser. Nicht zuletzt wegen meinem neuen Khmer-Lehrer Nasa, der mich mit neuem Vokabular zu ballert. Mittlerweile verstehe ich zumindest, was die Kinder von mir wollen, nur antworten kann ich meistens einfach nicht. Oder wenn ich es dann versuche, dann bringe ich immer alle zum Lachen, weil es anscheinend so witzig klingt.
So zurück zu meiner Arbeit: Meine Kollegen sind alle unglaublich freundlich. Mir werden andauernd neue Khmer-Snacks vorbeigebracht, die ich unbedingt probieren solle. Wenn ich dann mal versuche dankend abzulehnen, dann wird solange auf mich eingeredet, nachgefragt, ob es mir wirklich gut gehen würde, und Alternativen angeboten, bis ich schließlich doch was esse. Einige haben mir mittlerweile erklärt, ich kann sie „Ma“ nennen, weil ich ja schließlich so jung sei. So einen genauen Plan, was meine Aufgabe hier sein soll, hatte am Anfang eigentlich niemand. Die Definition lautete, Sonja arbeitet mit den Kindern. Was das genauer auf längere Sicht heißen soll, wird sich (hoffentlich) mit der Zeit noch ergeben. Aktuell arbeite ich überwiegend im sogenannten „Center“. In kleinen Hütten auf dem Gelände leben aktuell 13 Jungen und Mädchen im Alter von 3 bis 15 Jahre, die aus verschiedenen Gründen nicht bei ihren Eltern wohnen können. Ziel der KMR ist es aber die Kinder wieder in ihre Familien zu integrieren oder alternative Möglichkeiten zu finden. Über die Strukturen und Projekte der Komar Rikreay Association werde ich irgendwann nochmal ausführlicher berichten. Die meiste Zeit verbringe ich also beim Spielen mit den Kindern, als Klettergerüst für die Kleineren (übrigens können 5 Kinder gleichzeitig an einem hochklettern…) oder mit Origami-Tierchen falten, eben allem bei dem man nicht viel Sprechen muss. Auch Tanzen und Singen ist sehr beliebt bei den Kindern, weshalb ich jetzt ab und an meine Gitarre mitbringe. Ich muss mir jetzt nur ein paar Khmer-Songs aneignen, weil ich nicht ein Jahr lang nur „Count on me“ (B. Mars) oder „Shape of you“ (E. Sheeran) spielen kann. Das sind so die einzigen zwei „westlichen“ Songs, wo ich rausgefunden habe, dass die Kinder sie kennen. Die älteren Mädchen wollten dann auch gleich selbst ein bisschen Gitarre spielen lernen, also vielleicht werde ich das über das Jahr noch ein bisschen vertiefen. Letzte Woche wurden die Kinder des Centers von einer französischen Spenderin, die hier in Battambang lebt, eingeladen, in deren Guesthouse zu kommen und dort im Pool zu spielen. Das war für die Kids ein absolutes Highlight. In Begleitung von einer Center-Betreuerin bin ich an zwei Tagen mit der Hälfte der Kinder dorthin. Zwar konnten nicht alle Kinder (gut) schwimmen, aber das macht ja nichts, wenn man eine Freiwillige dabei hat und es Schwimmflügel gibt…. Ich hatte zwischenzeitlich mal jeweils zwei Kinder pro Arm an mir hängen. Alle hatten unglaublich viel Spaß. Und als wenn der Pool nicht genug gewesen wäre, gab es uuuuunmengen Süßigkeiten, Waffeln und Pancakes. Mich würde es nicht wundern, wenn das ein oder andere Kind einen Zuckerschock hatte…..
Neben der Arbeit im Center habe ich noch zwei weitere Programme kennenlernen können. Zum einen durfte ich letzte Woche Saran, die Leiterin des Alternative Care Programms, begleiten. Wie schon erwähnt, sollen die Kinder möglichst wieder in ihre eigene Familie integriert werden oder zu auch zu Verwandten, da es für die Entwicklung des Kindes das beste ist, in einem sicheren, familiären Umfeld aufzuwachsen. Ist dies nicht möglich, weil die Eltern verstorben sind, nach Thailand gezogen sind oder die Kindessicherheit nicht garantiert werden kann, gibt es die alternative, dass die Kinder in Pflegefamilien aufwachsen. In regelmäßigen Abständen besucht Saran, zusammen mit anderen Mitarbeitern der KMR, die Pflegefamilien, um sich mit den Pflegemüttern über Fortschritte, Probleme und vieles mehr zu unterhalten. Zum Glück konnte einer der Mitarbeiter sehr gut Englisch und hat dann immer für mich übersetzt.
Ein anderes Projekt, bei dem ich letzte Woche dabei war, ist die Tuk-Tuk-Libery. Gemeinsam mit den Social Workers luden wir das Material auf ein Tuk-Tuk und fuhren zu einer Grundschule am Rande der Stadt. Wir stellten die Kisten auf eine riesige Plane und schon bildete sich ein großer Sitzkreis. Nach einer kleinen Einführung über Komar Rikreay und das Projekt, wurden die Kisten gestürmt. Haufenweise Lego-Bauklötze, Bücher, Puzzles des Khmer- und des lateinischen Alphabets, Federballschläger, Hula Hoop Reifen, Fußbälle und und und…. Glücklich spielten die Kinder, veranstalteten Wettpuzzeln und Hula Hoop Contest. Abschließend, nachdem alles wieder in den Kisten verstaut war, gab es dann Gebäckstücke für alle und die Kids freuten sich echt riesig! Das ist echt ein sehr schönes Projekt 🙂
Auch hier in der Umgebung von Battambang gibt es sehr viel zu entdecken und erleben. Auch hier ist die Kolonialarchitektur sehr präsent (ja, schon wieder Architektur). Aber die alten Häuser, in denen meistens Hotels, Restaurants oder sonst was sind, sehen soooo schön aus…. Das Einkaufen auf dem Markt ist jedes Mal eine Herausforderung. Ich packe mutig und selbstbewusst meine Khmer-Skills aus und frage nach dem Preis (auf Khmer. Aber häufig erlebe ich das selbe Phänomen: die Verkäuferinnen verzweifeln halb, weil sie kein Englisch können und nicht wissen wie sie mir antworten sollen. Es ist anscheinend so in den Köpfen verankert, dass die „Chuntien“ (= Ausländern) sie nicht verstehen würden, wenn sie Khmer sprechen. Ich versuche dann meistens mehrmals zu erklären, dass ich ja Khmer sprechen könnte und frage nochmals nach, wie viel das denn jetzt kosten würde. Dann folgt die Erkenntnis, dass ich ja die ganze Zeit Khmer spreche und sie versuchen vorsichtig mir den Preis zu sagen. Und es folgt die große Freude und Überraschung, wenn ich sie dann verstehe und alle sind glücklich.
Am letzten Wochenende habe ich einen Ausflug zum Wat Samrong Knong gemacht. Die Tempelanlage ist zwar nicht bekannt als ein typisches Touri-Ausflugziel, dennoch ist sie sehr sehenswert. Die alte Pagode wurde, nachdem die Rote Khmer 1975 die Macht ergriffen hatte und ihre Schreckensherrschaft sich ausbreitete, als Gefängnis genutzt. Zahlreiche Kinder und Frauen wurden hier festgehalten und gefoltert, die Mönche wurden zu harter, körperlicher Arbeit gezwungen. Neben dem Tempel lag dann die sogenannten „Killing Fields“. 10,008 Leute wurden auf den umliegenden Feldern des Wat Samrong Tempels hingerichtet. Heute steht an dieser Stelle ein Denkmal, in dem die Schädel und Knochen der zahlreichen Opfer ausgestellt werden, um an diesen dunklen Teil der Geschichte des Landes zu erinnern. Die Geschehnisse werden rund um das Denkmal in Bildern dargestellt.
Viel mehr, muss ich leider ehrlich zugeben, habe ich bis jetzt noch gar nicht von der Umgebung gesehen. Aber ich habe ja auch noch etwa 10 Monate Zeit alles zu erkunden.
Ach und noch kurz zum Wetter, weil ich jetzt schon mehrmals gefragt wurde: die Regenzeit nähert sich jetzt offiziell dem Ende. Hier im Landesinneren ist sie zwar insgesamt nicht so ausgeprägt wie in Kep am Meer, es regnet eigentlich nur zwei- bis dreimal pro Woche. Und ich finde mittlerweile, dass das Regenprasseln auf den umliegenden den Blechdächern sehr beruhigend und hypnothisch wirkt. Der einzige Hacken ist nur, wenns dann mal regnet, dann gewittert es so heftig, dass die ganzen Straßen um meine Wohnung herum unter Wasser stehen. Und auch ins Büro kommt man dann die nächsten Tage nur mit nassen Füßen. Letzte Woche war das Gewitter so schlimm, dass es in der ganzen Stadt für drei Stunden keinen Strom mehr gab. Aber Stromausfälle sind hier nicht so selten, man gewöhnt sich irgendwie dran… Die letzten drei Tage hatten wir jetzt auch keinen Strom im Büro, heißt weder Licht, noch Ventilator, noch Internet, weshalb viele meiner Kollegen einfach zum Arbeiten ins nächste Café sind oder einfach was anderes gemacht haben. Ich hab lieber mit den Kindern gespielt….
Nächste Woche ist erstmal von Montag bis Mittwoch Feiertag, also werde ich die Zeit nutzen nach Siem Reap zu reisen und endlich(!) das Wahrzeichen Kambodschas, Angkor Wat, besichtigen. Und natürlich nicht alleine, sonder ich treffe mich dort mit Miriam (die KMW-Freiwillige in Kep). Ich freu mich schon voll 🙂
Wie man hoffentlich merkt, geht’s mir gut und ich habe echt viel Spaß bei der Arbeit!
Alles Roger in Kambodscha und bis bald
Eure Sonja