Von Münster nach Lima – Meine ersten Schritte im Jungenheim
Von Münster nach Lima – Meine ersten Schritte im Jungenheim
Am 8. August begann mein Freiwilligendienst in Peru – nach einer fast 30-stündigen Reise von Münster nach Lima. Die Flüge verliefen zum Glück ohne Probleme, aber die Ankunft in Lima war trotzdem ein kleiner Kulturschock. Nach einer langen Wartezeit am Flughafen brachte mich das Taxi in einer weiteren 1,5-stündigen Fahrt durch den chaotischen Verkehr der peruanischen Hauptstadt schließlich nach Cieneguilla, das Viertel meiner Aufnahmeorganisation, das etwas außerhalb von Lima liegt.
Als ich an meiner Einsatzstelle ankam, wurde ich herzlich von meiner Tutorin Anne und den anderen Freiwilligen empfangen. Zu dieser Zeit waren noch sieben weitere Freiwillige dort – sechs von ihnen französische Pfadfinder. Ich wohnte mit ihnen in einer kleinen Wohnung mitten auf dem Gelände des Jungenheims, das für die kommenden Monate mein Zuhause werden sollte. Die ersten Tage wurden mir durch ihre Anwesenheit enorm erleichtert. Sie kannten sich bereits ein wenig aus und halfen mir dabei, mich in das Leben und den Alltag des Heims einzufinden. Doch nach zwei Wochen reisten sie ab, und ich blieb als einziger Freiwilliger zurück.
Mein Einsatzort ist ein Heim für Jungen zwischen 8 und 17 Jahren, die aus schwierigen Verhältnissen kommen und hier eine neue Chance im Leben erhalten. Die Jungen leben in fünf Häusern, jeweils nach Altersgruppen aufgeteilt. Ihr Alltag folgt einem strengen Zeitplan, der von morgens bis abends durchstrukturiert ist. Der Tag beginnt früh mit dem Frühstück um 5:30 Uhr, gefolgt von einer Morgenversammlung um 6:15 Uhr mit allen Jungen und Mitarbeitern. Nach einer kurzen Pause startet um 8:30 Uhr die erste Unterrichtsstunde oder einer der „Talleres“, der Workshops, die einen großen Teil des Tages ausmachen.
Die „Talleres“ sind das Herzstück der pädagogischen Arbeit im Heim. Hier haben die Jungen die Möglichkeit, praktische Fähigkeiten zu erlernen und Verantwortung zu übernehmen. Zu den wichtigsten Bereichen gehören die Arbeit auf dem Bauernhof, wo sie sich um Schweine, Ziegen, Schafe, Hühner und sogar ein Pferd kümmern, sowie die Schreinerei, die Technik- und Elektronikworshops, die Küche, der Kunstunterricht mit Stoffmalerei und der Musikunterricht. Neben diesen praktischen Einheiten erhalten sie auch regulären Schulunterricht in verschiedenen Fächern.
Mein Arbeitsalltag beginnt mit der ersten Stunde am Morgen. Meistens unterstütze ich in der Küche, da dort immer viele helfende Hände gebraucht werden. Nach einer kurzen Pause um 10:00 Uhr, in der es einen kleinen Snack gibt, geht es weiter mit den Workshops. Ich helfe dort, wo gerade Unterstützung benötigt wird – sei es auf dem Bauernhof beim Hüten der Ziegen, auf dem Feld bei der Landwirtschaft, in der Schreinerei oder im Technik- und Englischunterricht. Das Mittagessen findet um 13:00 Uhr statt, und ich esse in einem der fünf Häuser mit den Jungen. Ich wechsle regelmäßig die Gruppen, um mit allen Häusern Zeit zu verbringen. Nachmittags folgen weitere drei Stunden in den Workshops, bevor der Tag mit Fußball oder anderen Freizeitaktivitäten endet. Um 19:00 Uhr gibt es Abendessen, und um 21:00 Uhr müssen die Jungen schlafen, um am nächsten Morgen wieder früh aufzustehen. Am Anfang orientierte ich mich stark an den anderen Freiwilligen, doch nachdem sie abgereist waren, fand ich zunehmend meinen eigenen Rhythmus. Eine der größten Herausforderungen zu Beginn war die Sprachbarriere. Besonders der peruanische Akzent machte es mir schwer, alles zu verstehen. Zum Glück konnte ich mich mit meiner Tutorin auf Deutsch verständigen, da sie Belgierin ist. Dennoch war ich gezwungen, täglich Spanisch zu sprechen, was mir dabei half, mich schnell zu verbessern. Auch das Fortbewegen in Lima stellte anfangs eine Herausforderung dar. Das Bussystem hier ist unübersichtlich, und man muss vieles einfach wissen, um sich zurechtzufinden. Doch mit der Zeit wurde auch das zur Routine.
Obwohl bei meiner Ankunft noch Winter war, waren die Temperaturen angenehm warm, und meistens konnte ich im T-Shirt arbeiten. Jetzt, da der Frühling begonnen hat, wird es immer heißer. An den Wochenenden hatte ich die Gelegenheit, Lima zu erkunden. Während ich anfangs mit den anderen Freiwilligen unterwegs war, fuhr ich später öfter alleine ins Stadtzentrum – trotz der zweistündigen Busfahrt.
Ein besonderes Highlight der ersten Monate war das „Evento de Primavera“, ein großes Frühlingsfest, das das Heim organisiert hat. Es gab Musik, Tanzaufführungen, traditionelles peruanisches Essen und einen Markt mit Pflanzen, Kleidung und handgefertigten Produkten der Jungen. Außerdem fanden Fußball- und Volleyballturniere statt, die für große Begeisterung sorgten. Es war beeindruckend zu sehen, mit wie viel Engagement die Jungen dieses Fest mitgestaltet haben.
Rückblickend bin ich sehr zufrieden mit meinen ersten Monaten hier. Meine Arbeit ist abwechslungsreich, herausfordernd und macht mir viel Spaß. Ich konnte mich gut einleben und freue mich darauf, was die kommenden Monate noch bringen werden.