Nos vemos, República Dominicana!

Hola, ¿cómo estás?

In dem Land, das ich vor knapp zwei Wochen verlassen habe und das nun einige tausend Kilometer von mir entfernt liegt, gibt es in diesen Tagen eigentlich nur eine Antwort auf diese Wie-geht’s-dir-Frage und die lautet „Con calor“ (=Mit Hitze). Nach den fast täglichen, starken Regenschauern im Mai waren die immer wärmer werdenden Temperaturen in den letzten Monaten in der Dominikanischen Republik Thema so ziemlich jeder Gesprächseröffnung. Zurück im deutlich weniger sommerlichen Deutschland, wird es Zeit, euch davon zu berichten, was mich außer der Hitze in den letzten Monaten meines Freiwilligendienstes noch alles so begleitet hat.

 

1) Vom Día de las culturas bis zum ersten Adiós

Falls ihr nur hier seid, um von meinem im letzten Blog versprochenen Maispflanzen-Update vom „Día del agricultor“ (= Tag des Landwirts) zu lesen, möchte ich euch dieses natürlich nicht vorenthalten. Der Tag wurde mit den Kindern gefeiert und war gefolgt vom Tag (zum Schutz) der Erde und dem Tag des Recyclings, einer von vielen wichtigen Informationstagen in der Estancia. Ich selbst habe besonders beim „Día de la diversidad cultural“ (= Tag der kulturellen Diversität) mitgewirkt. An diesem Tag wurden die Kinder darüber aufgeklärt, dass es auf der Welt ganz viele verschiedene Kulturen und Nationalitäten gibt und dass es wichtig ist, alle gleichermaßen wertzuschätzen und zu respektieren. Ich habe den Kindern etwas über Deutschland und die „deutsche Kultur“ erzählt, ihnen einige deutsche Sätze beigebracht und ihnen – weil das so ziemlich das einzige halbwegs typisch deutsche war, das ich Ende Mai noch in den Tiefen meines Koffers fand – einen Vanillepudding gekocht. Nun, das Vorhaben hat so semi-gut geklappt, aber den Kindern hat es geschmeckt, auch wenn sie die Masse eher trinken mussten. Einem Mädchen wurde ein Dirndl angezogen, das eine Arbeitskollegin im Kostümfundus der Estancia fand. Als sie mich daraufhin fragte, ob man so etwas in Deutschland wirklich tragen würde und ich das nicht so richtig verneinen konnte, schaute sie mich stirnrunzelnd und fast ein bisschen mitleidig an – naja, es können eben nicht alle so stilbewusst sein wie die Dominikaner*innen.

In den darauffolgenden Wochen half ich oft in den Gruppen der Ein- oder Zweijährigen aus oder unterstützte die älteren Kinder bei den Vorbereitungen für den Muttertag, der in der Dominikanischen Republik am letzten Sonntag im Mai gefeiert wird. Mit den Fünfjährigen übte ich Bachata und Merengue und weitere Tänze, aber auch Lieder und Gedichte wurden fleißig geprobt und schließlich vor einigen Eltern aufgeführt.

Ende Juni, knapp einen Monat vor Ende meines Freiwilligendienstes hieß es für mich, das erste Mal Abschied zunehmen. In der „Fiesta de Promoción“ wurde das Ende des Schuljahres gefeiert und die ältesten Kinder, für die nach den Sommerferien die Schule beginnt, verabschiedet. Ich habe die Kinder in den letzten acht Monaten sehr in mein Herz geschlossen und fand es unglaublich mitzuerleben, wie viel sie in ihrem jungen Alter schon können und wissen, wie schnell sie lernen und wachsen und wie kreativ sie sind: Wie die Fünfjährigen voller Begeisterung mit mir Armbänder bastelten; wie die Zweijährigen, die zu Anfang kaum redeten, plötzlich meinen Namen sagen konnten und mir ihre Lieblingslieder aufzählten; wie die Kinder, wenn bei Proben der Strom ausfiel, einfach selbst das Lied weitersangen, zu dem sie tanzen sollten, wie die Einjährigen anfingen ihre ersten Schritte zu gehen und wie die Vorschulkinder mich umarmten, wenn ich morgens ihren Gruppenraum betrat.

 

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2) Über alles was ich gelernt habe und erleben durfte

Aber gelernt haben nicht nur die Kinder, sondern auch ich in den letzten Wochen nochmal viel und zwar vor allem – ganz zum Stolz meiner Gasteltern- hinsichtlich der dominikanischen Küche und – ganz zur Freude meiner dominikanischen Freund*innen – hinsichtlich des dominikanischen Slangs. Nun gut, warum aus „¿klk?“ (ugs: hallo, wie geht’s?) „¿klkentucky?“ (also: Wie geht’s Kentucky?) wird, bleibt mir wahrscheinlich ebenso ein Rätsel, wie meiner Gastmutter meine Talentlosigkeit für das Kochbananen-schälen.

Doch meine letzten Wochen außerhalb des Projektes waren nicht nur mit dem Lernen eben dieser Dinge ausgefüllt, sondern es blieb auch noch Zeit für ein paar Fahrten in andere Städte und an Orte, durch die ich das Land noch ein wenig besser kennenlernen konnte. Mit meiner Gastmutter, meiner Gastschwester Coralba, meiner Gastcousine und ihrer einjährigen Tochter verbrachte ich einen Tag am Strand von Puerto Plata und mit Coralba fuhr ich wenig später nach Nagua, einer kleinen Stadt im Norden ebenfalls direkt am Meer. Spannend für mich war auch ein Ausflug nach Salcedo. Salcedo liegt einige Kilometer von Bonao entfernt und ist Geburtsstadt der „hermanas Mirabal“, drei Schwestern, die eine tragende Rolle im Widerstand gegen die Trujillo-Diktatur im letzten Jahrhundert spielten.

Besonders gefreut habe ich mich ebenfalls auf einen dreitägigen Urlaubstrip nach Sosúa. Dorthin fuhr ich mit einigen Mitarbeiterinnen der Estancia, von denen ein paar auch ihre Freunde und Familien mitbrachten. Und wenn ich Familie sage, dann meine ich Großfamilie – Onkels, Tanten, Cousins und Cousinen inklusive. Morgens in aller Frühe fuhren wir alle gemeinsam mit zwei vollen Bussen, ganz viel Merengue- und Bachata-Musik und bester Stimmung pünktlich zwei Stunden später als geplant los – wie man das halt so macht als Dominikaner*in und als 8-Monate-Dominikanerin. Die gute Stimmung hielt den ganzen Urlaub über an: Gemeinschaft, Musik, Tanz, Strand, Meer und dominikanisches Essen ist die Kurzzusammenfassung der drei Tage, die ich sehr genossen habe, vor allem weil sie mir die Möglichkeit gaben, einige Arbeitskolleginnen nochmal näher und besser kennenzulernen.

 

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3) Und der Rest verging wie im Flug

Das für mich schönste Ereignis im Juli war für mich ein Camp mit der Jugendgruppe der Pfarrei, die meine Gastmutter leitet. Schon Wochen vorher gab es viel vorzubereiten: Wir planten das Programm, organisierten Aktivitäten und verkauften Säfte nach den Sonntagsmessen, um Geld zu sammeln, damit alle mitkommen konnten. Gecampt haben wir auf einem Gelände im ländlichen Teil von Bonao und die Zeit war geprägt durch langes Zusammensitzen, Karaoke-Shows, „Gala“- und Filmabende, Spiele, viel Lachen und Joggingrunden im Halbschlaf. Das Camp stand unter dem Thema „Honestidad“ (= Ehrlichkeit; Aufrichtigkeit), und auch darüber redeten wir viel: Was es eigentlich heißt ehrlich/aufrichtig zu sein und was damit alles verbunden ist, über Zweifel und über die eigene Verantwortung für sich selbst und für seine Mitmenschen.

 

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Das Camp und auch die darauffolgenden Wochen waren eine total schöne Zeit, weil ich so viele liebe und herzliche Menschen um mich herum hatte und merkte, jetzt wirklich so richtig „angekommen“ zu sein. Umso schwerer war es dann für mich schließlich Abschied nehmen zu müssen.

 

4) Plötzlich ist alles wieder ruhig, doch Erinnerungen bleiben

Doch so traurig der Abschied war, so schön war auch das In-Empfang-Nehmen von meinen Eltern und meinen Geschwistern am Flughafen, das Willkommenheißen von meinen Freund*innen Zuhause und das Wiedersehen mit meiner Großmutter. Ich genieße es sehr, sie alle wieder in meiner Nähe zu haben.

Das Einleben in Deutschland ist für mich dennoch nicht einfach, weil ich die Menschen vermisse, die ich auf der anderen Seite der Erde liebgewonnen habe. Es ist ein komisches Gefühl, sich mit all dem wieder vertraut zu machen, was einem so lange vertraut, aber in den letzten Monate irgendwie so fern war. Nicht nur, dass es nicht mehr pünktlich ist zu spät zu kommen (gut, zugegeben viele von euch werden jetzt sagen, dass ich das auch vorher nicht ganz begriffen hatte), sondern auch die Ruhe ist ungewohnt: es gibt keine Musik mehr, die aus dem Nachbarhaus bis tief in die Nacht zu hören ist und keine lauten Mango- und Avocado-Verkäuferrufe mehr, die mich wecken. Es ist alles anders und doch irgendwie alles beim Alten – Gütersloh eben.

Am Schluss ist es mir aber nochmal wichtig zu sagen, dass ich meinen Freiwilligendienst nicht nachträglich „überromantisieren“ will, denn genauso wie viele schöne Momente und Entwicklungen gab es während meines Freiwilligendienstes auch einige unschöne, schwierige und kräftezehrende Momente. Das Ankommen in einer neuen Kultur und das Einfinden braucht Zeit. Es geht nicht darum, alles gut finden zu müssen an der „neuen“ Kultur, Unangenehmes immer herunterzuschlucken und sich anzugleichen. Damit geht es einem selbst nicht gut und es hat auch niemand anderes etwas davon. Voneinander zu lernen heißt vor allem offen aufeinander zuzugehen, tolerant und interessiert neue Perspektiven und Meinungen kennenlernen zu wollen aber auch den Mut zu haben die eigenen zu teilen. Kulturell bedingte Unterschiede in Verhaltensweisen können verunsichern, entmutigen und abschrecken, weil es Zeit und Energie braucht sie zu überwinden. Aber oft sind sie oberflächlich und verschleiern gemeinsame Werte.

Wenn man auf Menschen trifft, die man in sein Herz schließen kann, dann kann man sich auch mit ihrer Kultur anfreunden. Das zu spüren, ist eine große Bereicherung.

Ich mag nicht davon sprechen, dass „das Jahr“ jetzt „zu Ende“ ist, weil es sich so anhört, als müsse ich mit all dem Erlebten „abschließen“, obwohl ich doch eigentlich hoffe, dass mich die Erfahrungen, Erlebnisse und Menschen weiterhin begleiten werden. Ein Freund meinte zum Abschied zu mir: Sag nicht „Adiós“ Maja, denn das ist so endgültig, sag lieber „Nos vemos“ (= Wir sehen uns/Auf Wiedersehen) und ich finde, das ist doch eigentlich ein guter Rat.

 

Vielen Dank an euch alle für euer Interesse an meinem Blog und dafür, wie ihr mich so während meines Freiwilligendienstes begleitet habt 🙂

 

Nos vemos,

Eure Maja