Momente die bleiben
Es ist schon wieder eine ganze Weile her das ich mich hier gemeldet habe, aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, es war mal wieder viel los und ich war gut beschäftigt. Die letzten Monate waren gefühlt mit kleinen und großen Ausflügen, viel Besuch und Projekten mit den Schüler*innen der Technical School sowie der Brother Sun Children, so das für das Blog schreiben nicht wirklich Zeit geblieben ist.
Die Monate Mai und Juni waren gefühlt mit kleinen Feiertagen, die meist in der Woche verstreut waren, sodass die Brother Sun Kinder und Technical Schüler*innen, die hier in der Schule leben zwar keine Gelegenheit hatten nach Hause zu gehen aber dennoch einen ganzen Tag nicht lernen mussten. Diese Tage wurden gerne für Ausflüge rund um Kep genutzt. Einige waren ganz spontan, unter anderem zu dem kleinen Mangrovenwald ungefähr 15 Minuten von der Schule entfernt. Es war bereits früher Nachmittag, die Kinder hatten Bewegungsdrang und ein Lehrer, sowie wir Freiwilligen, sind zusammen mit ihnen losgezogen . Durch den Mangrovenwald führt ein Steg mit mehreren überdachten Plätzen, an denen Gruppen sich niederlassen und picknicken können. Der Wald ist das Projekt mehrerer NGOs, da Mangroven Wälder, wertvolle Ökosysteme und sehr wichtig für das Klima sind. Das Wasser um die Bäume herum geht mir knapp bis zum Knie und ist so klar, dass man die kleinen Fische, Krebse und Muscheln gut erkennen kann. Am Tag unseres Ausfluges liegen zwei kleine Boote im Wasser vor der Mangroven. Die Kinder beginnen sofort, auf die Boote zu klettern, sie durch das Wasser zu schieben und einander aus dem Gleichgewicht zu bringen. Um ehrlich zu sein habe ich kurz gezögert mich ihnen anzuschließen. Ich meine, kann man das einfach machen, auf irgend welche Boote klettern ohne Ärger zu kriegen? Allerdings schien es hier niemanden zu stören und die Children haben so viel Spaß, also warum nicht? Zusammen sind wir eine ganze Weile durchs Wasser getobt, natürlich soweit entfernt von den Bäumen, das wir sie nicht ausversehen beschädigen. Auf unserem Rückweg hat es dann leider angefangen zu regnen, aber nass waren wir ja eh schon.
Ein Ausflug den die Lehrer*innen, Sisters und wir Freiwilligen etwas länger geplant haben, führte uns in den Nationalpark in Kep. Dort waren wir am Anfang des Schuljahres bereits einmal zu Besuch, aber dieses Mal wollten wir bzw. die Kinder nicht den offiziellen Weg gehen, sondern gemeinsam mit ein paar älteren Schüler*innen, die sich gut ins Kep auskennen, einmal querfeldein um auf dem Weg wilde Beeren und ähnliches zu sammeln. Ein paar von euch stellen sich bei dem Wort querfeldein vermutlich verwilderte Trampelpfade und geheime Wege vor. Laßt mich euch an dieser Stelle korrigieren, wir sind den Großteil der Zeit quer durch Gestrüpp und für mich auf keinem wie auch immer ausgeartetem Pfad gelaufen. Die Lehrer*innen und die meisten Schüler*innen hatten jedoch den absoluten Durchblick, wofür ich sie sehr bewundere (mein Orientierungssinn ist selbst in der Best strukturiertesten Stadt unbrauchbar). Wir haben sehr viele leckere Beeren gefunden und auf der Spitze des Berges, der den Nationalpark ausmacht, unseren mitgebrachten Lunch gegessen. Die Wanderung war eine gute Gelegenheit längere Gespräche mit ein paar Schüler*innen zu führen. In der Schule habe ich auch viele schöne Gespräche, aber der Alltag ist grade unter der Woche eng getaktet und die Atmosphäre im Nationalpark ist auch einfach ein wenig entspannter. Eine Schülerin hat mir beispielsweise von ihrem Heimatdorf in Oddar Meanchey, einer weit entfernten Provinz im Norden erzählt. Sie beschrieb mir die Sehenswürdigkeiten und größeren Städte dort und was sie mir ihren Freundinnen gerne macht. Eine andere Schülerinn versuchte mir während des Rückwegs ein wenig Chinesisch beizubringen. Eine Sprache die hier viele voller Eifer lernen, da sie die Aussicht auf ein gutes Gehalt im Arbeitsleben verbessert. Da wir auf dem Rückweg spontan noch einen Abstecher zum Strand gemacht haben, dauerte der Ausflug den Großteil des Tages an und hat uns alle ordentlich geschafft. Dennoch war es nicht der größte Ausflug den wir in der letzten Zeit hatten.
Neben diesen Ausflügen gab es aber auch zwei Projekte, an deren Organisation ich beteiligt war. Das erste und größere Projekt war eine Idee von Father Arun, dem Verantwortlichen für alle Don Bosco Freiwilligen an den unterschiedlichen Schulen. Er bat uns einen Spelling Bee auszurichten. Das ist ein Buchstabierwettbewerb, bei dem die Schüler*innen Wörter von einer Liste auswendig lernen und dann korrekt buchstabieren müssen. Hier in Kep haben Brother Martin, einer der Freiwilligen aus Frankreich und ich die Organisation des Wettbewerbes übernommen . Wir hatten zuerst ein Meeting mit Father Albeiro und dem Schuleiter, um deren Erlaubnis einzuholen und anschließend ein Meeting mit allen English Lehrer*innen der Schule um ihre Unterstützung zu erfragen. Es sollte zu erst ein Schulinternen Wettbewerb geben und anschlieslich einen Spelling Bee zwischen den besten 5 Schüler*innen unserer Schule und den besten 5 Schüler*innen der Don Bosco Schule in Kampong Sau. Die Lehrer*innen waren Feuer und Flamme und begannen sofort die besten Schüler*innen in ihrem Department zu ermitteln. Eine Klasse hielt ihren eigenen Spelling Bee ab, eine andere ging nach den Noten der letzten Klausur und andere wählten einfach demokratisch oder suchten nach Freiwilligen. Zu diesem Zeitpunkt dämmerte mir und Martin so langsam auf was wir uns da eigentlich eingelassen hatten, denn zumindest mir war die organisatorische Dimension unseres Unterfangens am Anfang nicht bewusst. Wir erstellten eine Wörterliste mit Definitionen und Beispielen und kategorisierten die Wörter in einfach, mittel und schwer. Wir trafen uns mit den 30 Schüler*innen die aus dem Departments ausgewählt wurden und erklärten ihnen die Regeln und das Vorgehen. (Die Anzahl der Schüler*innen stand in Abhängigkeit zu Größe des Departments). Anschließend planten wir den Ablauf des Wettbewerbs hier in Kep. Wer würde in der Jury sitzen, wer moderieren und wer würde den Schüler*innen die Wörter sagen?
Alle Schüler*innen mussten drei Wörter buchstabieren können, die Reihenfolge würde gelost werden. Die geloste Nummer gehörte zu einer Liste mit den Wörtern, welche der/die jeweilige Schüler*in buchstabieren musste. Bei einem Gleichstand würde es eine Speedround geben, in welcher es um die Geschwindigkeit gehen würde. Ich war ehrlich überrascht wie begeistert alle waren. Oft kamen in der Pause Schüler*innen aus unterschiedliche Departments zu mir, um Fragen zum SpellingBee zu stellen oder mit mir die Wörter durchzugehen und sie abzufragen. Viele auch eher introvertierte Schüler*innen hatte nun der Ehrgeiz gepackt und selbst jetzt, wo der SpellingBee vorbei ist, plaudern wir regelmäßig über Gott und die Welt. Der Wettbewerb selbst lief um ehrlich zu sein nicht ganz Rund, die Lehrerin, die die Zeit bei der Speedround nehmen sollte, war ein Fehler unterlaufen, weshalb wir einen Tag später die Speedround wiederholen mussten. Jedoch war das ganze in meinen Augen dennoch ein Erfolg, da es auch gleichzeitig ein erster Versuch war und die nicht immer Rund laufen müssen um gut zu sein. Wir hatten Zertifikate für alle Teilnehmer*innen und kleine Preise für die ersten drei Plätze. Mit den ersten fünf Schüler*innen sind wir dann später auch nach Kampong Sau gefahren, wo ein Mädchen aus dem Secretary Department sogar den 3 Platz gemacht hat. Ehrlicherweise muss ich sagen dass ich während der Vorbereitungen arg gestresst war, aber auf positive und produktive Weise. Es war anstrengend aber dennoch war ich froh an der Organisation teil zuhaben, da es mir nochmal vor Augen geführt hat wie integriert ich in meiner Einsatzstelle bin.
Der Hauptgrund für den Stress war die Tatsache, das sich die Spellingbee Vorbereitung mit einem weiteren Projekt, dass ich mit den Brother Sun Children plante überschnitt. In Absprache mit den Sisters, hatte ich darum gebeten, dass die Children an einem Samstag im Juni anstelle von Englisch, mit uns Freiwilligen ein Projekt zu sicheren Internet- und Social Media Umgang erarbeiten. Wie überall auf der Welt erobern auch hier TikTok, Instagram, Facebook und Co, immer mehr den Alltag der Schüler*innen. Und damit gehen überall auf der Welt, nicht nur Chancen und Möglichkeiten, sondern auch große Gefahren einher. Mir zum Beispiel ist besonders bei ein paar der Mädchen der Brother Sun Children schon oft ein sehr ungesundes Körperbild im Bezug auf Gewicht und Aussehen aufgefallen. Zudem haben viele der 12, 13 und 14 Jährigen schon ein eigenes Facebook-Profil. Father Albeiro redet regelmäßig mit den Schüler*innen in den Good Night Talks über die Gefahren des Internet. Dennoch waren auch die Sisters der Ansicht, dass ein zusätzlicher Tag für das Thema eine gute Idee ist. Ich recherchierte eingehend über die Gefahren im Internet für Jugendliche und schrieb vier englische Texte über die Themen: allgemeine Gefahren, Fake News, Schönheitstandarts in Socialen Medien und Online grooming (Fremde, die Kinder im Internet ausbeuten wollen unter falschen Tatsachen). Die Texte wurden ins Khmer übersetzt und in Gruppen erstellten die Schüler*innen Plakate und erklärten sich gegenseitig was sie gelernt haben. Die Idee für die Aktivität hatte ich schon vor einer Weile, jedoch hatte ich lange Sorge wegen dem Arbeitsaufwand und der Umsetzung. Zumal ich mich auch nicht als Besserwisserin aufspielen wollte, da mir ja bewusst war das die Erwachsenen das Thema im Blick haben und es strickte Regeln für die Schüler*innen und ihren Internet Konsum gibt. Ich bin dennoch ziemlich froh am Ende mit den Sisters darüber geredet zu haben und es umgesetzt wurde. Die Schüler*innen sind bei dem gestalten der Plakate aufgegangen und waren sehr wissbegierig.
Nun ging es in diesem Blogbeitrag viel um große Projekte und Ausflüge, die sind natürlich absolute Highlights und gefüllt von Augenblicken für die ich sehr dankbar bin. Aber ich möchte dabei nicht die kleinen Momente vergessen, die ich jeden Tag erleben darf und die mein FSJ erst zu dem gemacht haben was es eigentlich ist, ein phantastisches ereignisreiches Erlebnis.
es ist Beispielsweise das Fußball schauen am Samstag Abend mit ein paar Schülern aus dem Department, die kambodschanische Frauenmanschaft spielt gegen die Frauen aus den vereinigten Emiraten, Kambodscha gewinnt in der Nachspielzeit und wir freuen uns riesig.
Es ist das rumalbern mit zwei Schülerinnen wo wir in der Küche nach dem Abendessen sitzen. Eigentlich sollten sie Hausaufgaben machen doch stattdessen albern wir herum und lachen uns kringelig. Anschließend lerne ich mit einem der Brother Sun Schüler Deutsch, er spricht bereits großartig Englisch und lernt auch Chinesisch und Französisch. Sein Engagement und Begeisterung fürs Sprachen lernen sind ansteckend, von seinem absoluten Talent ganz zu schweigen.
Es sind auch solche Gespräche mit den älteren Schülern, die bald in ihr praktisches Training gehen, manchmal nach dem Mittagessen andere Male im Café einer der Lehrerinnen, nach der Schule. Gespräche die hin und wieder ein wenig ernster werden, wo es um alles von Kindheitserinnerung, über zukünftige Jobs oder über den heutigen Tag in der Schule geht (natürlich immer begleitet von lustigen Momenten, die der Sprachbarriere und einem wilden Englisch Khmer Mix geschuldet sind).
Es ist die Lehrerin der das Cafe gehört, die sich freut wenn ich mit ihren beiden kleinen Söhnen spiele und mich zu all den Leuten geselle, die sie jeden Tag besuchen um sie um Rat zu fragen oder einfach mit ihr zu quatschten.
Es sind die Menschen in meiner Einsatzstelle, die mich in ihr Leben gelassen haben und die dieses Jahr so ein großer Teil meines Lebens geworden sind, die dieses Jahr zudem einmaligen, bereichernden, außergewöhnlichen und Weltbild veränderndem Erlebnis gemacht haben das es ist. Daher sind es auch die Menschen, die ich am meisten vermissen werde, wenn ich nach Deutschland zurück gehe. Auf die Gefahr hin nun fürchterlich kitschig zu sein würde ich sagen, dass dieses Jahr soviel großartige Menschen mit ihren Gedanken, ihren Worten und ihrem einfach-in-meinem-Leben-sein mein Herz berührt haben und das ich nun, kurz vor dem Ende gleichzeitig vor Freude in die Zukunft blicke und mit einem Klos im Hals an den Abschied denke. Grade deshalb bin ich dankbar für all die schönen Momente, die ich dieses Jahr sammeln, die Gespräche, die ich führen durfte und die Menschen die mir begegnet sind. Das alles und viel mehr nehme ich mit zurück.