Kauderwelsch Khmer? – Ein Blick hinter die Worte

Willkommen zurück!

Seit mehr als sieben Monaten lebe ich nun in Kambodscha und habe das Gefühl, wirklich voll in das Leben hier eingetaucht zu sein. Meine Alltagsroutinen sind fest und vertraut, und ich finde mich in der kambodschanischen Kultur und Umgebung bestens zurecht. Besonders geholfen hat mir dabei das Lernen der Sprache Khmer (sprich „kmai“), durch die ich eine ganz besondere Verbindung zu den Menschen hier aufbauen konnte – besonders in der Don Bosco Academic and Technical High School. Auch wenn die Sprache weiterhin Herausforderungen für mich bereithält, komme ich im Alltag gut zurecht, kann mich über Smalltalk hinaus unterhalten und die wichtigen Dinge des Lebens verstehen und ausdrücken. Khmer ist mittlerweile ein ganz natürlicher Teil meines FIJ. Doch nicht nur die Sprache prägt meinen Alltag in Kambodscha – auch die nonverbale Kommunikation spielt eine große Rolle. In diesem Blogeintrag möchte ich erzählen, wie ich Sprache und Kommunikation hier in den letzten Monaten wahrgenommen habe, welche Besonderheiten es gibt und wie sich der Austausch zwischen den Menschen gestaltet.

Die Art, wie ich die kambodschanische Landessprache gelernt habe, unterscheidet sich grundlegend vom klassischen Spracherwerb in der Schule. Keine Grammatikregeln oder Lehrbücher – stattdessen zuhören, nachplappern und ausprobieren. Besonders die Kinder in der Schule haben mir dabei geholfen. Sie sprechen ungezwungen mit mir, verbessern mich mit beeindruckend unverblümter Ehrlichkeit, wenn ich etwas falsch ausspreche, und freuen sich umso mehr, wenn ich mich verständlich machen kann. In meinem Alltag spreche ich Khmer mittlerweile fast automatisch und bin froh, die Basics gut draufzuhaben – wenn auch nicht immer grammatikalisch korrekt. Besonders lustig wird es, wenn ich Redewendungen der älteren Schüler:innen übernehme, die ich aufgrund ihrer Jugendsprache besser nicht in jeder Situation verwenden sollte… In den letzten Monaten habe ich gemerkt, wie viel Spaß es mir macht, eine neue Sprache zu lernen, und was für ein wunderbares Gefühl es ist, tatsächlich Fortschritte zu machen. Doch Khmer ist für mich längst nicht mehr nur ein Mittel zur Verständigung – es ist ein echter Türöffner zu den Herzen der Menschen hier.

Bevor ich näher auf die Kommunikation und den Austausch eingehe, möchte ich einige spannende Aspekte der Sprache selbst und meine Erfahrungen damit teilen. Je mehr ich mich mit Khmer beschäftige, desto mehr fällt mir auf, wie besonders sie ist – sei es in ihrer Schrift, ihrer Grammatik oder den verschiedenen Sprachebenen. Am Anfang war es für mich nicht einfach, Khmer zu lernen, da sie sich so stark von den europäischen Sprachen unterscheidet, die ich spreche. Besonders herausfordernd waren die vielen verschiedenen Laute, die sich für mich anfangs alle gleich angehört haben. Da unser westliches Alphabet viele dieser Laute nicht abdeckt, konnte ich mir kaum Notizen machen. Jenny und ich haben anfangs oft gerätselt, wie wir Wörter, die wir gehört haben, wohl aussprechen müssen. Doch trotz der schwierigen Aussprache hat Khmer einen großen Vorteil: Die Grammatik ist um einiges einfacher als die meiner Muttersprache. Es gibt keine Verbkonjugationen, keine grammatikalischen Geschlechter und keine klassischen Zeitformen. Stattdessen bleibt das Verb immer gleich, und die Bedeutung wird oft aus dem Kontext oder durch kleine Zusatzwörter deutlich. Sobald man das Grundprinzip verstanden hat, ist das Bilden von Sätzen gar nicht mehr so schwer.

Doch Sprache ist nicht nur das, was man sagt – sondern auch das, was man zeigt. In Kambodscha habe ich schnell gelernt, dass Kommunikation weit über gesprochene Worte hinausgeht. Die nonverbale Kommunikation ist hier mindestens genauso wichtig. Besonders auffällig ist das Lächeln, das unzählige Bedeutungen haben kann – es kann Freundlichkeit und Respekt signalisieren, eine Entschuldigung ausdrücken oder eine angenehme Atmosphäre schaffen. Wenn Worte nicht ausreichen, dient es als universelles Kommunikationsmittel. Auch Gestik und Körperhaltung spielen eine große Rolle. Respekt ist ein zentraler Bestandteil der kambodschanischen Kultur und zeigt sich besonders in der Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen. Zum Beispiel gehört es zum guten Ton, sich beim Grüßen leicht zu verneigen und dabei die Hände in der traditionellen Sampeah-Geste vor der Brust zusammenzuführen. Je höher die Hände gehalten werden und je tiefer die Verbeugung ist, desto mehr Respekt wird ausgedrückt – besonders gegenüber älteren Menschen oder Mönchen. Eine weitere spannende Beobachtung ist der Umgang mit Stille. Während sie in vielen westlichen Kulturen oft als unangenehm empfunden wird, ist sie hier ein ganz natürlicher Bestandteil der Kommunikation. Schweigen kann Zustimmung, Nachdenken oder einfach Respekt bedeuten.

Diese vielen kleinen nonverbalen Zeichen haben meine Kommunikation in Kambodscha stark geprägt. Ich habe gelernt, dass es oft nicht nur darauf ankommt, was man sagt, sondern auch darauf, wie man es sagt – oder ob Worte überhaupt nötig sind. Besonders interessant ist auch, wie sich nonverbale Kommunikation mit der Sprache Khmer ergänzt. Da Khmer viele sprachliche Feinheiten besitzt, die stark vom Kontext abhängen, helfen Mimik und Gestik oft dabei, die Bedeutung eines Satzes zu verdeutlichen. Die Tonlage, ein Lächeln oder eine bestimmte Kopfbewegung können ein einfaches „Ja“ ganz unterschiedlich wirken lassen – von höflicher Zustimmung bis hin zu Zurückhaltung oder Unsicherheit. Ebenso ersetzen Blicke oder Gesten manchmal ganze Sätze, besonders in Situationen, in denen direkte Konfrontation vermieden werden soll. So entsteht eine enge Verbindung zwischen Sprache und Körpersprache, die das tägliche Miteinander prägt.

Rückblickend war die Landessprache Kambodschas zu Beginn sicher eine meiner größten Herausforderungen – gleichzeitig aber auch eine meiner bereicherndsten Erfahrungen. Doch in den letzten Monaten habe ich verstanden, dass Kommunikation hier weit über das gesprochene Wort hinausgeht. Es sind die kleinen Gesten, das bewusste Schweigen, ein respektvoller Blick oder ein aufrichtiges Lächeln, die eine tiefere Verbindung zwischen den Menschen schaffen. Sprache ist hier nicht nur ein Mittel der Verständigung, sondern ein Ausdruck von Kultur, Gemeinschaft und gegenseitigem Respekt.