Irgendwie ist dieses Land genauso verrückt wie ich!

Hi, nachdem ich schon fast einem Monat in Kolumbien bin, habe ich viel zu erzählen. Also fangen wir ganz von vorne an:

 

„Radarausfall über dem Atlantik plus 2 Tornados“ 

Vor vier Wochen, am 06.09. stieg ich morgens um halb 12 in den Flieger. Als erstes gab es leider einen Inlandsflug, dies ging leider nicht anders, denn der Flug war komischerweise viel günstiger. Trotzdem fand ich abheben, um gleich wieder zu landen, doch nicht so sinnvoll. 🙂

In Frankfurt traf ich dann auf Nika, und ich bin echt froh sie dabei gehabt zu haben, um mit jemanden meine Sorgen teilen zu können. Denn wie ihr euch denken könnt, lief alles mal wieder drunter und drüber: Unser Flug, der eigentlich 14:20 starten sollte, flog 16:00 los – Radarausfall über dem Atlantik plus 2 Tornados. Also saß ich 12 Stunden im Flugzeug ohne zu wissen wie es dann weiter geht.

Als wir dann im kalten Bogota ankamen, lief es wie auf dem Basar: zehn Stewardessen standen am Ausgang und riefen: „Hier Cartagena, Quito, Quito, Alle Fluggäste nach Lima, Rio, Rio de Janeiro usw.“. Ich bekam meinen Flug auf den nächsten Tag um 5:00 umgebucht und auf dem Weg ins Hotel lernte ich 5 andere Bolivien Freiwillige kennen, und trotz dessen, dass man sich keine Stunde kennt, versteht man sich so gut als ob man schon 5 Jahre befreundet ist.

 

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„Ich hatte das Gefühl, ich sei entweder ein Tourist, oder ein Maskottchen der Stiftung“

Am nächsten Tag um 6 kam ich dann endlich in Cali an, wurde sehr freundlich willkommen geheißen, zu meinem Projekt – und komischerweise auch gleichzeitig zu meiner Gastfamilie gebracht. Im Erdgeschoss befinden sich nämlich Büro und Schulklassen, im ersten Obergeschoss meine Gastfamilie.

Im Laufe der Zeit wurde mir dann immer mehr der grundsätzliche Unterschied zwischen der Mentalität, die ich kenne und der, welche ich vorfand bewusst: Zeit.

In Deutschland würde es am Anfang wahrscheinlich so verlaufen: Ich würde am ersten Tag ankommen und mir würde alles vorgestellt werden. Am zweiten Tag würde ich eine Liste bekommen, was ich alles für Aufgaben habe und mir würde mein Ort gezeigt werden, wo ich arbeite.

Hier verlief es so: Am ersten Tag wurde ich zuerst gefragt, ob ich ein wenig schlafen möchte. So ruhte ich mich bis zum Nachmittag aus. Abends fuhr ich mit meiner Familie in die Stadt und ging einkaufen. Am zweiten Tag wurde mir das Projekt gezeigt und Nachmittag ruhte ich mich aus. Am dritten Tag hatte ich gar keine Aufgaben, setzte mich jedoch Nachmittags zu einer Schulveranstaltung dazu.

So ging es weiter und weiter. Ich hatte drei Wochen lang das Gefühl, ich sei entweder ein Tourist, oder ein Maskottchen für die Stiftung. Erst nach drei und halb Wochen, und vielen Gesprächen mit dem Chef wurde mir dann endlich meine erste eigene Aufgabe zugeteilt, ich solle Englischstunden in der Grundschule geben.

 

Mittagessen mit den Kindern in der Grundschule

 

 

 

 

„Zwischen ihnen wird die Machina, eine Maschiene mit Metallkeil gespannt“

Trotzdem habe ich nicht nichts erlebt, und ich hatte definitiv die schöne Möglichkeit überall rein zu schnuppern und zu lernen wie hier was läuft:

In den ersten beiden Wochen war ich viel mit Harol, meinem Gastvater auf dem Feld. Harol ist zusammen mit zwei anderen Bauern: Jorge und Luigi dafür verantwortlich die Felder, wo später Ananas, Kaffee oder Zuckerrohr angebaut wird umzupflügen.

Dies funktioniert hier noch auf die traditionelle Art und Weise: Zwei Ochsen werden eingespannt und an den Holzpfahl zwischen ihnen wird die Machina, eine Maschiene mit Metallkeil, zum Umpflügen, gespannt. Das hat mir wirklich Spaß gemacht, da man immer an der frischen Luft war und viel körperlich gearbeitet hat, sodass man am Ende des Tages mit dem zufrieden war, was man geschafft hat.

 

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Harol
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Außerdem war ich einmal mit in der Panelafabrik. Panela ist ein Südamerikanisches Produkt aus Zuckerrohr: Das Zuckerrohr wird gehäckselt und der Saft wird abgeleitet. Dann wird dieser in verschiedenen Becken erhitzt, wodurch er immer dickflüssiger wird. Am Ende wird die ganze Masse in Holzformen gefüllt, wo sie abkühlen kann. Dadurch entsteht ein Produkt, das nach einer Mischung aus Rohrzucker und Karamell schmeckt.

Ich war dafür zuständig die Panela aus den Formen zu bringen und umzustapeln. Klingt leicht, tut aber weh, da man sich dauernd die Finger verbrennt. Dafür ging die Zeit gut um, und es hat auch irgendwo Spaß gemacht.

 

Panela
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Panelafabrik
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„Nach 6 Stunden und einem kaputten Bus, kamen wir in der idyllischsten Natur, die man sich nur vorstellen kann, an“

Letzten Freitag ging mein Leben dann aber, nach einem Monat Eingewöhnung endlich richtig los, denn mein Chef, der Pfarrer Gesain kam zurück aus Europa. Er war zuvor zu eine Reise aufgebrochen um Inspiration und Finanzierung in Spanien, Italien, Deutschland und Island zu finden, und kam voller Enthusiasmus zurück.

So nahm er mich dann letzten Samstag mit in die Stadt und ich erfuhr nach einem Monat ländlicher Entspannung, ein bisschen Action. Nach dem Abendgottesdienst Samstag, mit viel Klatschen, Popmusik und Gesang ging es Sonntag in den Norden in ein Thermalbad.

Wir fuhren Sonntagmorgen um 4 los, und kamen dann nach 6 Stunden und einem kaputten Bus, in der idyllischsten Natur, die man sich nur vorstellen kann, an. Dort gab es ein leckeres Hotel-Mittagessen und Bäder, von kochend Heiß bis Gefrierpunkt. Das schöne dabei war, dass es wie eine kleine Klassenfahrt war: dadurch dass sich die Leute der Gemeinde auch untereinander kaum kannten, konnte man schnell neue Leute kennenlernen, und schöne Gespräche anfangen. 🙂

Nun sitze ich hier, es ist Mittwoch, und freue mich auf heute Abend, denn ich werde ein paar andere Freiwillige aus Cali kennenlernen, die ich auf weltwärts.de gefunden habe. Ich bin gespannt wie es weiter geht, und halte euch bestimmt auf dem Laufenden!

 

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Truck
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Ach und noch ganz kurz: warum ist das Land so verrückt wie ich? – Ich habe einmal mitgeschrieben, was alles auf einer Autofahrt aus der Kleinstadt in die Großstadt alles passiert ist:

Eine ganz normale Fahrt, Santander de Quilichao <-> Cali

Wir fahren mit 110kmh auf der Landstraße.
Beide Fenster sind offen, und mir flattern die Haare ins Gesicht so dass es schon ein bisschen weh tut.
Wir sind nicht angeschnallt, weil die Gurte nicht gehen .
Am Straßenrand ziehen einige Schilder wie 30 , 20, oder 50 vorbei, wahrscheinlich Deko.
Auf der linken  Straßenseite fährt langsam ein Bus, wir ziehen rechts vorbei.
Der Bus hat die Tür vorne offen, ein Mann schaut mich an.
Es kommt die Mautstation, wir bremsen und Leute möchten uns Wasser, Saft oder irgendwelche Früchte in Plastiktüten verkaufen.
Wir fahren wieder weiter, von rechts überholen uns Motorräder, Fahrradfahrer und Fußgänger auf dem Standstreifen.
Ramiro schaut etwas auf dem Handy nach und schaut paar Minuten nicht nach vorne.
Wir fahren wieder langsamer,  Militärkontrolle, aber die ist leer, hat wahrscheinlich schon Feierabend.
Links will wieder was verkauft werden: Fische und Fleisch an Stricken.
Wir fahren wieder weiter und uns kommt ein Lkw entgegen. Ich zähle uno, dos, tres, quanto, cinco – 5 Wägen.
Wir nähern uns langsam der Stadt, denn die Häuser werden dichter und der Verkehr auch.
Ich wundere mich warum da ein Schild mit einem Kanu ist, obwohl nur ein kleiner Bach fließt.
Egal.
Ein Unfall: in der Mitte der Straße steht ein demolierter LKW und ein Krankenwagen, ein paar Kegel stehen drumherum.
Wir fahren vorsichtig vorbei.
Wir nähern uns 4 Buchstaben, groß und bunt: CALI.
Ich glaub wir sind da.