Ein anderer Süden Mexikos
Nach all dem Trubel, den Touristenmassen und der perfekt inszenierten Karibikkulisse in Quintana Roo fühlte sich meine zweite Reise in den Osterferien fast wie eine andere Welt an. Chiapas – ein Bundesstaat im Süden Mexikos, geprägt von Bergen, Wäldern, indigenen Kulturen und einer spürbar anderen Energie. Schon bei der Ankunft war klar: Hier läuft alles langsamer, ruhiger, echter. Statt Hochglanzresorts und All-Inclusive-Angeboten gibt es kleine Märkte, Kopfsteinpflaster und viel Natur.
Tag 1
Ich bin in Tuxtla Gutiérrez angekommen – bei über 30 Grad und Sonne. Kurz danach ging es aber direkt weiter nach San Cristóbal de las Casas, und dort war es plötzlich richtig kühl. Die Temperaturunterschiede innerhalb weniger Stunden waren extrem – von Hitze in der Großstadt zu Pulloverwetter in den Bergen. Den restlichen Tag hatten wir zur freien Verfügung. Wir sind ein bisschen durch die Stadt gelaufen, haben die Atmosphäre aufgesogen und uns erstmal orientiert. Die Stadt ist total schön, mit vielen kleinen Straßen und perfekt zum schlendern.
Tag 2
Am zweiten Tag fuhren wir mit dem Boot durch den Cañón del Sumidero. Die Schlucht war beeindruckend, mit hohen Felswänden links und rechts und jeder Menge Natur. Wir haben sogar ein paar Krokodile gesehen. Interessanterweise hat mich die Bootsfahrt ein bisschen an zuhause erinnert – an die Ems. Natürlich ist dort alles kleiner und weniger spektakulär, aber das Gefühl auf dem Wasser, die Ruhe und das Vorbeifahren an Uferlandschaften war ähnlich. Wahrscheinlich das Erste, was mir bisher halbwegs vertraut im Vergleich zu Zuhause vorkam.
Danach waren wir noch in Chiapa de Corzo, einer hübschen kleinen Stadt mit Kolonialarchitektur. Auf dem Rückweg hielten wir an Aussichtspunkten und kleineren Sehenswürdigkeiten wie der Cueva de los Colores.








Tag 3
Am dritten Tag standen viele Lagunen und Wasserfälle auf dem Programm: unter anderem die Lagunas de Montebello, Lago Pojoj und die Laguna Esmeralda. Ein besonderer Moment war, als wir bei einem der Seen direkt an die Grenze zu Guatemala kamen. Man konnte einfach zu Fuß ein paar Meter ins Nachbarland laufen – ganz ohne Kontrolle. Was heute wie ein kleiner Ausflug wirkt, war früher mal ein echtes Grenzgebiet: Chiapas gehörte bis ins 19. Jahrhundert tatsächlich zu Guatemala und wurde erst 1824 offiziell Teil Mexikos. Vielleicht spürt man deshalb bis heute kulturelle Unterschiede – auch wenn man sie nicht immer direkt benennen kann.










Was den Tag besonders angenehm gemacht hat, war unsere Reisegruppe. Wir waren ja zu zweit unterwegs und wurden dann größeren Gruppen mit einem Guide zugeteilt – unsere Gruppe war total nett und der Guide sehr sympathisch. Besonders spannend fand ich, dass alle anderen aus Mexiko kamen – keine internationalen Tourist*innen, nur Leute aus dem Land selbst. Das war generell mein Eindruck in Chiapas: Tourismus gibt es, aber fast ausschließlich von Mexikaner*innen.






Tag 4
Am vierten Tag besuchten wir Zinacantán und San Juan Chamula – ein Dorf, das mir mit Abstand am stärksten in Erinnerung geblieben ist. Schon bei der Ankunft wurde uns gesagt, dass wir keine Fotos machen dürfen, weil man glaubt, dass dadurch die Seele der Menschen geraubt wird.
Die Kirche im Ort war zwar katholisch, aber sehr stark mit den lokalen Traditionen vermischt. Drinnen war es dunkel, nur Kerzen spendeten Licht. Überall saßen Menschen auf dem Boden, sprachen leise Gebete auf ihrer Sprache, manche in Gruppen, andere allein. Ich habe gesehen, wie bei einem Ritual ein Huhn geopfert wurde. Auch Cola wird dort als heilige Opfergabe verwendet.
Das Ganze war schwer einzuordnen. Wir kamen aus der Kirche raus und wussten erstmal nicht, was wir sagen sollten. Es war ein Moment, den man nicht sofort verstehen konnte, aber einen trotzdem beschäftigt hat. Für mich war das ein echtes Erlebnis, das mich noch länger begleitet hat. Aber genau das war auch das Spannende daran. So nah erlebt man indigene Traditionen selten.

Danach ging es weiter nach Zinacantán, wo wir eine einheimische Familie besuchten. Sie zeigten uns, wie sie in Handarbeit Stoffe weben, Kleidung herstellen und andere Artesanías (Handwerksprodukte) fertigen. Auch das typische Essen der Region wurde uns vorgestellt – einfach, aber sehr lecker. Die Familie war freundlich und offen, und es war interessant, so einen direkten Einblick zu bekommen. Gleichzeitig hatte es aber auch etwas Inszeniertes – man merkte, dass sich viele solche Besuche ähneln und die Familien damit natürlich auch ein Stück weit vom Tourismus leben müssen.
Später hatten wir noch etwas Zeit im Zentrum des Dorfs San Cristobal de las Casas. Dort wurde gerade getanzt – ganz spontan, mit Musik und einer kleinen Menschenmenge. Einige Einheimische haben uns einfach aufgefordert mitzumachen, total offen und herzlich. Es war eine lockere, fröhliche Stimmung, und wir haben einfach mitgetanzt — ein sehr schöner Abschluss des Tages.
Im Vergleich zu meiner ersten Reise in den Osterferien war hier vieles ganz anders: weniger touristisch, weniger inszeniert, dafür näher dran und oft eindrucksvoller. Ich bin froh, beide Seiten gesehen zu haben – aber Chiapas bleibt mir auf eine schönere Weise im Kopf.