Von kleinen grossen Momenten

Nach einer Woche in den Bergen bin ich Mitte April zurück nach Johannesburg gekommen – mit dem klaren Vorsatz, jetzt ganz hier zu sein. Meine Zeit in Südafrika neigt sich dem Ende zu, und ich möchte die letzten Wochen ganz bewusst erleben: Zeit in Johannesburg, in meiner Einsatzstelle und mit den Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind.

Und die vergangenen Wochen in meiner Einsatzstelle waren erfüllt von vielen besonderen Momenten. Anfang Mai begann das zweite Trimester, und die Kinder sind zurück in die Einsatzstelle gekommen. Die Begeisterung war groß, alle Freunde wiederzusehen, in den Pausen zu spielen und zu lernen. Die Kinder erzählen mir ausnahmslos, dass sie es lieben, zur Schule zu kommen – denn zu Hause sei es langweilig. Three2Six ist für die Kinder viel mehr als eine Schule: Es ist ein Ort, an dem sie sich sicher, geborgen und geliebt fühlen – ein Ort, der sich nach Zuhause anfühlt.

Am 25. Mai haben wir gemeinsam den Africa Day gefeiert – ein Fest voller Farben, Musik und Gemeinschaft. Mit einigen Kindern von Three2Six sind wir also nach Hillbrow gefahren, haben uns verkleidet und mit vielen anderen Menschen in den Straßen Joburgs getanzt, gesungen und die Vielseitigkeit des Kontinents gefeiert. Zu viel gab es bei den Outfits nicht – traditionelle Röcke, Masken, Flaggen, Ketten – ganz nach dem Motto „Mehr ist mehr“.

Eindrücke vom Africa Day

Anfang Juni habe ich dann Besuch aus George bekommen: Mein Mitfreiwilliger Leo kam nach Johannesburg, und ich war ein bisschen aufgeregt. Wie würden die Kinder auf ihn reagieren? Würde es ihm gefallen? Doch all die Sorgen waren unbegründet. Leo wurde herzlich aufgenommen – von den Kindern und vom Kollegium.

Der Direktor Mark, meine Mentorin Justine, Leo und ich

Leo hat mich im Alltag begleitet, beim Sport- und Kunstunterricht geholfen, ist mit im Schulbus gefahren und war bei einer Gesundheitsuntersuchung dabei, bei der wir beide die Augentests mit den Kindern durchgeführt haben. Die Familien in Three2Six sind finanziell nicht in der Lage, regelmäßig zum Arzt zu gehen. Aus diesem Grund kommt einmal im Jahr eine Ärztin in die Einsatzstelle, führt verschiedene Gesundheitsuntersuchungen durch und verweist Kinder an Spezialärzte, meist an den Augen- oder Zahnarzt. Three2Six kooperiert mit diesen Ärzt:innen und Optiker:innen, die bereit sind, Brillen zu spenden und die Kinder kostenlos zu untersuchen.


Auch war World Environment Day, an dem verschiedene Klassen unterschiedliche Aktivitäten durchgeführt haben. Eine Klasse hat Plastikflaschen recycelt und Halter für ihre Buntstifte gebastelt, eine andere Klasse hat Schürzen aus Plastiktüten hergestellt, und wieder eine andere hat benutzte Plastiklöffel in Kunst verwandelt. Leo und ich haben den Tag über all die verschiedenen Aktivitäten mit der Kamera eingefangen und waren so mittendrin statt nur dabei.

Stiftehalter mit der ersten Klasse basteln
Ergebnisse der Löffel-Kunst
Leo wurde auch kreativ 🦒

Während der Zeit mit Leo habe ich tiefen Stolz gespürt – Stolz, Teil einer Einsatzstelle zu sein, die so vielen Kindern Zugang zu Bildung ermöglicht und sich anfühlt wie eine ganz große Familie.

Auch außerhalb meiner Einsatzstelle haben wir schöne Dinge erlebt. Leo hat meine engste Bezugsperson und ihre Familie kennengelernt, wir waren mit Freundinnen von mir Bowlen und Paddel spielen und haben die Red Bus Tour gemacht. Zeit für etwas Geschichte und Kultur wurde natürlich auch eingeplant: Wir haben uns den Constitutional Hill, ein ehemaliges Gefängnis während der Apartheid, angesehen und waren im Apartheid Museum.

Der Sportunterricht mit den Grundschüler:innen ist und bleibt für mich ein besonderes Highlight. Sobald ich den Sportplatz betrete, stürmen mir 18 Erstklässler:innen mit offenen Armen entgegen – ein Gefühl, das ich kaum in Worte fassen kann. Gerade weil die Kinder meiner Einsatzstelle oft in kleinen Wohnungen in dicht bebauten Stadtteilen leben, ist es immer schön zu sehen, wie viel Spaß sie an Bewegung haben.

Ebenso viel bedeutet mir das gemeinsame Mittagessen mit meiner Kollegin Justine, das mittlerweile zum Ritual geworden ist: Für umgerechnet drei Euro kaufen wir uns oft ein warmes Mittagessen mit Pap, Fleisch und Salat. Oft bringt Justine auch selbst gekochtes Essen mit – und teilt es immer mit mir, was für sie eine Selbstverständlichkeit ist. Umso schöner war es, als auch Leo mit uns Pap gegessen hat. Ein Moment voller Verbundenheit.

Als Leo hier war, hat er mich gefragt: „Ist in deiner Einsatzstelle eigentlich immer so viel los?“ Und tatsächlich – in den letzten Wochen ist wirklich viel passiert. Doch was für mich am meisten zählt, sind die kleinen Momente zwischendurch: ein freundliches Wort, eine Umarmung, zusammen mit den Kindern lesen, singen, tanzen oder einfach ins Gespräch kommen. Gerade in den letzten Wochen ist mir noch einmal deutlich geworden, wie sehr mich meine Erfahrungen bei Three2Six geprägt haben.