Zwischen Wow und Warum
In den Osterferien hatte ich die Gelegenheit, zwei sehr unterschiedliche Regionen im Süden Mexikos zu bereisen. Die erste führte mich in den Bundesstaat Quintana Roo – bekannt für seine weißen Sandstrände, türkisblaues Meer und weltberühmte Touristenorte wie Cancún und Playa del Carmen.
Doch diese Reise war mehr als nur Karibik und Sonnenbaden: Ich habe Zeit mit meiner Familie verbracht, viele Orte wie Chichén Itzá besucht, in Cenoten gebadet und Einblicke in die Welt des Massentourismus gewonnen, die mich mal begeistert, mal befremdet haben.
In diesem Blogeintrag berichte ich von meiner Zeit in Quintana Roo – was ich gesehen habe, was mich überrascht hat und was vielleicht auch ein bisschen anders war, als ich gedacht hätte.
Playa del Carmen
Die erste Reise führte mich in die wohl bekannteste Urlaubsregion Mexikos: die Halbinsel Yucatán, genauer gesagt in die Bundesstaaten Quintana Roo und Yucatán. Schon beim Verlassen des Flughafens war klar: Hier herrscht ein ganz anderes Klima – feucht und heiß.
Ich begann in Playa del Carmen, wo ich einige Tage bei meinem Patenonkel verbrachte. Weil er viel arbeitete, habe ich mich oft selbst beschäftigt – was überraschend gut klappte: Mit dem Fahrrad konnte ich mich frei in der Stadt bewegen, zum Strand fahren oder kleine Erledigungen machen. Besonders das Meer hat mich beeindruckt – so intensiv türkisfarben wie dort habe ich Wasser selten gesehen. Kein Wunder, dass sich so viele Touristen an diesem Ort sammeln.










Für mich war Playa del Carmen auch aus einem persönlichen Grund besonders: Mein Vater hat dort viele Jahre gelebt, und während meines Aufenthalts hatte ich die Gelegenheit, zum ersten Mal eine meiner Halbschwestern kennenzulernen, was wirklich total schön war. Außerdem unternahm ich einen Tagesausflug nach Cozumel, wo ich schnorcheln war – ein wirklich schöner Moment, auch wenn ich davon leider keine Fotos habe.
Ein echtes Highlight während meines Aufenthalts in Playa del Carmen war ein Tagesausflug zu drei sehr besonderen Orten auf der Halbinsel Yucatán. Der erste Stopp war Chichén Itzá – eine der bedeutendsten archäologischen Stätten Mexikos und seit 1988 UNESCO-Weltkulturerbe. Die Stadt war einst ein religiöses, politisches und wirtschaftliches Zentrum der Maya und zählt heute zu den „neuen sieben Weltwundern“. Besonders beeindruckt hat mich die Pyramide „El Castillo“ (auch Kukulkán-Pyramide genannt), die nicht nur architektonisch perfekt proportioniert ist, sondern auch astronomische Bedeutung hatte: Zur Tagundnachtgleiche wirft die Sonne einen Schatten auf die Treppe, der wie eine herabgleitende Schlangenfigur aussieht – eine symbolische Darstellung der Gottheit Kukulkán. Auch wenn der Ort etwas überlaufen war, konnte man die Größe dieser vergangenen Hochkultur deutlich spüren.








Nach dem Besuch der Ruinen fuhren wir weiter nach Valladolid – eine farbenfrohe Kolonialstadt mit viel Charme. Kopfsteinpflaster, bunte Hausfassaden und ruhige Plätze verleihen dem Ort eine angenehme Atmosphäre, die einen kurzen, aber schönen Kontrast zur Hitze und dem Trubel von Chichén Itzá bildete.
Den Abschluss des Tages bildete ein Bad in der Cenote Saamal – einem natürlichen Kalksteinloch mit kristallklarem, kühlem Wasser. Cenoten entstehen durch den Einsturz von Höhlendecken und waren für die Maya heilige Orte, da sie nicht nur lebenswichtiges Trinkwasser spendeten, sondern auch als Eingänge zur Unterwelt galten.
Trotz all dieser besonderen Erfahrungen konnte ich mit dem Ort insgesamt nicht so richtig warm werden. Die Stadt ist klein, aber extrem touristisch – fast alles ist auf Englisch, vieles überteuert und die Atmosphäre wirkt teilweise sehr künstlich. Ein Moment blieb mir besonders im Kopf: Als mir auf der Straße jemand zurief „I like your race“, war mir klar, wie präsent hier oberflächliche Vorstellungen von Tourismus, Herkunft und Aussehen sind. Das Meer und die Strände waren wunderschön, und dass man sich so unkompliziert mit dem Fahrrad bewegen konnte, war definitiv ein Plus – aber insgesamt hat mir Playa del Carmen einfach nicht besonders gefallen.
Cancún
Nach ein paar Tagen in Playa del Carmen ging es für mich weiter nach Cancún – ein Name, der international für Karibikurlaub, All-Inclusive-Hotels und Partytourismus steht. Und genau das habe ich dort auch erlebt. Die Hotelzone ist wie eine eigene Welt: eine schmale Landzunge mit riesigen Resorts, durchgestylten Stränden und Restaurants, die kaum noch etwas mit Mexiko zu tun haben – alles sehr künstlich.
In Cancún war ich nicht mehr allein unterwegs, sondern mit einer meiner besten Freundinnen, Valeria, und ihrer Mutter. Schon das hat vieles verändert – gemeinsam unterwegs zu sein, macht selbst die touristischsten Orte angenehmer. Zusammen verbrachten wir einen ganzen Tag auf Isla Mujeres, einer kleinen Insel vor der Küste Cancúns, die man per Fähre erreicht. Die Insel hat wunderschöne Strände mit klarem Wasser, und in Gesellschaft war alles sofort viel schöner.






Ein paar Tage später machten wir einen Ausflug nach Xcaret – einem riesigen Erlebnispark südlich von Cancún, der Teil eines ganzen Netzwerks von Freizeitparks, Hotels und ökologischen Projekten ist. Xcaret ist schwer zu beschreiben, weil es so viel auf einmal ist: Themenpark, Naturreservat, Kulturzentrum, Luxusresort, Aquarium, Zoo und archäologischer Ort zugleich. Alles ist perfekt inszeniert, extrem professionell organisiert und wahnsinnig groß – fast schon wie ein eigener Bundesstaat innerhalb Mexikos. Es ist ein Ort, der zeigt, wie stark Tourismus hier zur Industrie geworden ist, mit eigenen Marken, Shows, Transportsystemen und Strukturen, die für Millionen Besucher jährlich ausgelegt sind.
Was mich beeindruckt hat: Trotz aller Perfektion und touristischen Inszenierung gibt es dort echte Natur. Man kann durch unterirdische Flüsse schwimmen, vorbei an Höhlen und durch klares Süßwasser, das sich durch Kalkstein gegraben hat. Es gibt Bereiche mit einheimischen Pflanzen und Tieren, und der ganze Park wirkt an vielen Stellen erstaunlich harmonisch in die Landschaft integriert.
Am Abend findet dort eine riesige Bühnenshow statt, die man sich wirklich nicht entgehen lassen sollte. Sie erzählt in beeindruckenden Bildern, Tänzen, Musik und Lichteffekten die Geschichte Mexikos – von der vorspanischen Zeit über die Kolonialherrschaft bis hin zur Gegenwart. Ganze Epochen werden mit hunderten Darstellern zum Leben erweckt: Maya-Zeremonien, die Ankunft der Spanier, Unabhängigkeitsbewegungen, bis hin zur modernen mexikanischen Kultur mit Mariachi, Volkstänzen und landestypischen Festen. Es war überwältigend – die gesamte Vielfalt Mexikos wurde auf einer Bühne gezeigt. Xcaret war für mich eine seltsame Mischung aus Authentizität und Inszenierung.












Was mir in Cancún aber wirklich zu schaffen gemacht hat, war die schiere Masse an Hotels. Kilometerweit reiht sich in der sogenannten „Zona Hotelera“ ein gigantischer Komplex an den nächsten – Hochhäuser, Resorts, Clubanlagen, alle mit eigenen Stränden, Pools, Sicherheitszonen und All-Inclusive-Angeboten. Es ist fast pervers, wie viele Hotels dort stehen. Ganze Küstenabschnitte sind komplett verbaut, das Meer hinter Mauern und Sicherheitszäunen verborgen. Natürlich: Auch ich habe mit meinen Besuchen in Isla Mujeres und Xcaret zum Tourismus beigetragen, und ich verstehe, warum Menschen hierherkommen – es gibt viel zu sehen, das Wasser ist atemberaubend, die Infrastruktur beeindruckend. Aber die Ausmaße, die der Tourismus hier angenommen hat, haben mich oft eher abgeschreckt als begeistert. Cancún wirkt wie ein Ort, der fast vollständig um Konsum und Unterhaltung gebaut wurde.
Ursprünglich hatte ich gar nicht geplant, so ausführlich über meine erste Reise in den Süden Mexikos zu schreiben – eigentlich wollte ich direkt von meiner zweiten Reise nach Chiapas erzählen. Doch wie sich gezeigt hat, gab es aus Cancún, Playa del Carmen und Umgebung dann doch mehr zu erzählen, als ich erwartet hatte. Im nächsten Blogeintrag nehme ich euch also mit nach Chiapas – eine Reise, die mir ganz anders in Erinnerung geblieben ist und mich auf eine ruhigere, tiefere Weise bewegt hat.