Joburg – Eine Katastrophenstadt?!
Der Südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hat vor Kurzem Johannesburg besucht– und war schockiert. Bei seinem Kabinettsbesuch zur Vorbereitung des G20-Gipfels, der später im Jahr stattfinden soll, zeigte er sich besorgt über den Zustand der Stadt: Schlaglöcher, nicht funktionierende Ampeln, veraltete Infrastruktur. Er sprach von „enormen Verbesserungen“, die notwendig seien, und rief die Stadtverwaltung dazu auf, Johannesburg in den nächsten Monaten „präsentabel“ zu machen.
Ich möchte gar nicht sagen, dass der Präsident mit seinen Beobachtungen falsch liegt oder hier alles super läuft.
Johannesburg ist für mich aber viel mehr als seine Probleme oder die Kriminalität – es ist eine Stadt voller Leben und Chancen. Ich kann euch versichern: als Freiwillige in Johannesburg bekommt man nicht selten Aussagen wie „das ist doch total gefährlich da“ oder „da gibt es doch gar nichts zu sehen“ zu hören. Was ich an Johannesburg aber so liebe, versuche ich im Folgenden mal zu erläutern.
- Eine bunte Mischung
Johannesburg ist eine der multikulturellsten Städte Afrikas, was man in unterschiedlichen Aspekten des täglichen Lebens spürt. Hier begegnen sich Menschen aus unterschiedlichsten Hintergründen und Ländern. Und genau diese Vielfalt macht die Stadt so lebendig.
Man hört auf der Straße zum Beispiel die unterschiedlichsten Sprachen. Als Hauptsprache für den Alltag dient Englisch. Primär in der schwarzen Bevölkerung wird aber auch viel IsiZulu, Xhosa oder Sesotho gesprochen. Oft muss ich die Kinder in meiner Einsatzstelle verwarnen, wenn in der Pause untereinander Zulu gesprochen wird, denn sie müssen in der Schule Englisch sprechen, um die Sprache besser zu lernen. Aber auch Französich, Portugisich oder Afrikaans bekommt man nicht selten zu Ohr.
Auch in der Mode werden die verschiedenen kulturellen Einflüsse sichtbar. Bunte afrikanische Muster sind in vielen Outfits wiederzufinden. Vor allem durch Frisuren drücken Menschen hier ihre Identitäten aus.

Ebenso spiegelt sich dieser Vielfalt in der Musik wieder. Aus vorbeirasenden Taxis hört man etwa Amapiano, Afrobeats oder Hip-Hop.
In meiner Praxis erlebe ich diese kulturelle Vielfalt hautnah: Eine meiner Mitbewohnerinnen kommt aus dem Kongo, die anderen aus Simbabwe, meine Kollegin aus Frankreich und der Mann meiner anderen Kollegin aus Brasilien. Allein durch diese engen Bezugspersonen bin ich ständig von verschiedenen Kulturen umgeben – und genau das fasziniert mich.
- Grüne Oasen in der Metropole
Obwohl Johannesburg eine Großstadt ist, gibt es zahlreichen grünen Oasen, die mitten im Trubel Ruhe und Erholung bieten. In Parks wie die Johannesburg Botanical Gardens, die Melville Koppies oder die Walter Sisulu Botanical Gardens kann man dem Stadtleben für einen Moment entfliehen. Übrigens: mit über 10 Millionen Bäumen gehört Johannesburg zu den größten von Menschen geschaffenen Waldstädten der Welt. Ein besonderes Highlight sind die Lilianen Jacaranda-Bäume, die im südafrikanischen Frühling (Oktober/November) blühen.
Gerade dieser Kontrast zwischen Urbanität und der Natur macht Johannesburg für mich so einzigartig. Zwischen Hochhäusern und vielspurigen Straßen findet man immer wieder Rückzugsorte im Grünen.


- Kulturelles Angebot
In Johannesburg gibt es immer etwas zu tun – Langeweile kommt hier garantiert nicht auf. Jede Woche erscheint der Newsletter „Johannesburg in your pocket“, der ultimative Insider-Guide. Egal, ob man auf der Suche nach neuen Restaurants, spannenden Ausflügen oder den besten Partys ist – hier findet wirklich jeder etwas Passendes.
Dank des großen kulturellen Angebots war es für mich nie schwer, Pläne fürs Wochenende zu schmieden. Es gibt geführte Spaziergänge, bei denen man Einblicke in die Geschichte der Stadt erhält, zahlreiche Museen und Galerien, die von Apartheid-Geschichte bis hin zu Kunst alles abdecken, oder Theateraufführungen, die lokale und internationale Produktionen zeigen.
Auch sportlich gesehen hat Johannesburg unglaublich viel zu bieten. Joggen ist hier besonders beliebt – es gibt zahlreiche Running Clubs, von Hobbyläufern bis hin zu leistungsorientierten Gruppen. Sport ist hier nicht nur eine Freizeitaktivität, sondern immer auch eine soziale Angelegenheit. Nach dem Sport man meistens noch stundenlang zusammen, quatscht und genießt das ein oder andere Erfrischungsgetränk. Dieses spontane, gemeinschaftliche Miteinander macht den Alltag in Johannesburg für mich besonders lebendig.

- Kulinarische Entdeckungsreise
Auch Kulinarisch gesehen ist Johannesburg unglaublich vielfältig und spiegelt die Multikulturalität der Stadt wider. Typisch südafrikanisch ist natürlich der Braai –ein soziales Event, bei dem Freunde und Familie zusammenkommen, um stundenlang Fleisch, Würstchen (Boerewors) und Beilagen wie Kartoffelsalat oder Maiskolben zu genießen.
Für die Schwarze Bevölkerung ist Pap das wichtigste Grundnahrungsmittel. Pap ist ein fester Maisbrei, der oft mit Soßen, Gemüse und Fleisch serviert wird. Besonders beliebt ist die Kombination mit Chakalaka, einer würzigen Tomaten-Gemüse-Soße, oder mit Fleischsoßen. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich in Deutschland ohne Pap auskommen soll! Jedes Mal, wenn meine Mitbewohnerinnen Pap kochen, strahlen meine Augen. Ein Punkt auf meiner persönlichen To-Do-Liste für die nächsten vier Monate: endlich selbst lernen, wie man Pap zubereitet – denn dieses Gericht wird mich definitiv auch nach meiner Zeit in Südafrika begleiten.


- Märkte voller Leben
Um die ganzen kulinarischen Highlights auszuprobieren zu können, gibt es hier jedes Wochenende zahlreiche Märkte. Egal ob mitten in der Stadt, auf dem Dach der Rosebank Mall oder etwas außerhalb. Überall gibt es Märkte mit einer Vielzahl an Speisen und handgemachten Produkten. Der Fourways Farmers Market bietet zum Beispiel eine entspannte Atmosphäre mit viel grün und Live-Musik, während der Playground in Braamfontain sehr modern und trendy ist. Es gefällt mir es, dass man immer schnell mit Menschen ins Gespräch kommt, neue Gerichte probieren kann und einfach einen entspannten Wochenendtag genießen kann.




- Offenheit und Herzlichkeit
Aber am allerliebsten habe ich die Menschen hier. In keiner anderen Stadt Südafrikas habe ich so viel Offenheit und Herzlichkeit erlebt wie in Johannesburg. Diese besondere Wärme der Menschen ist tief in der Ubuntu-Philosophie verwurzelt.
Ubuntu bedeutet übersetzt „Ich bin, weil wir sind“ und drückt die Idee aus, dass das Wohl der Gemeinschaft über individuellen Erfolgen steht. Dieses Denken zeigt sich in unzähligen kleinen Momenten des Alltags: Menschen helfen sich gegenseitig, auch wenn sie sich nicht kennen. Es ist selbstverständlich, Fremde auf der Straße zu grüßen, und das Gemeinschaftsgefühl ist stark. Man teilt Essen, selbst wenn man selbst nicht viel hat, passt auf die Kinder der Nachbarn auf oder unterstützt sich in schwierigen Zeiten. Gerade in einer so großen und dynamischen Stadt wie Johannesburg gibt dieses Miteinander ein Gefühl von Verbundenheit. Und dieser Aspekt berührt mich jeden Tag aufs Neue.
Ja, Johannesburg hat seine Herausforderungen. Aber wer nur auf die negativen Schlagzeilen schaut, verpasst eine Stadt voller Energie, Kreativität und einer einzigartigen Kultur. Also, bevor du Joburg abschreibst – komm vorbei, probiere einen südafrikanischen Braai, schlendere über die tollen Märkte und erlebe einen Sonnenuntergang mit tollem Ausblick vom Northcliff Hill.