Joburg is calling…
Nachdem mein Visum glücklicherweise einen Tag vor meinem Abflug angekommen ist, hat meine Reise am 5. August begonnen. Über Nacht flog ich zusammen mit meinem Mitfreiwilligen Leo von Frankfurt direkt nach Johannesburg, hier auch gerne Joburg oder Jozi genannt. Mit über 6 Millionen Einwohnern ist Johannesburg eine ganz andere Dimension als meine Heimatstadt mit nur rund 45.000 Einwohnern. Selbst nach einem Monat in Joburg fällt es mir noch sehr schwer, mich in dieser riesigen Stadt zu orientieren.
Ich bin zusammen mit zwei weiteren Mädchen in einem Community-House untergebracht und habe mich sofort gut mit meinen Mitbewohnerinnen verstanden. Am Tag nach meiner Ankunft war ich das erste Mal in meine Einsatzstelle, der Dominican Convent School. Dort sind mittlerweile die 225 Kinder des Three2Six-Projekts untergebracht, da diese Schule die Möglichkeit bietet, die Kinder ganztägig und in allen Schulfächern zu unterrichten. Zuvor wurden die Kinder von 3 bis 6 Uhr am Sacred Heart College unterrichtet, daher auch der Name des Projekts. Leider blieb mir wenig Zeit, die Kinder kennenzulernen, da sie an diesem Tag in ihre dreiwöchigen Ferien verabschiedet wurden.
Am Wochenende hat mich meine Mentorin Charlotte mit zu ihrer Familie genommen, und ich hatte die Gelegenheit, meinen ersten Braai zu erleben. „Braai“ ist ein Begriff aus dem Afrikaans und bedeutet so viel wie „grillen“. Es ist ein wichtiger Bestandteil der südafrikanischen Kultur, bei dem Freunde und Familie stundenlang zusammenkommen, um gute Gespräche und Getränke zu genießen und traditionelle Gerichte wie Pap (ein Brei aus Maismehl) oder Boerewors (eine Wurst aus Rindfleisch, Schweinefleisch und Lamm) zu essen. Mein erster Braai war eine sehr schöne Erfahrung!
Zu dem Zeitpunkt ist eine weitere Freiwillige aus den USA angekommen, die für einen Monat in unserem Community-House lebt. Da wir während der Ferien an unserer Einsatzstelle nicht allzu viele Aufgaben gehabt hätten, wurden wir in ein Retreat Center in der Küstenstadt St. Lucia eingeladen.
Dort halfen wir im Retreat Center, unter anderem beim Aussortieren und Organisieren von Spenden, die über längere Zeit liegen geblieben waren. Neben unseren Aufgaben im Retreat Center blieb glücklicherweise auch Zeit für Freizeitaktivitäten. Wir machten eine Bootstour, bei der wir Hippos und Krokodile beobachten konnten, spazierten am Strand und ich erlebte meine allererste Safari im Hluhluwe-iMfolozi-Park. Es war wirklich einzigartig, die Tiere in freier Wildbahn zu sehen und ich hoffe, dass ich während meiner Zeit in Johannesburg noch auf einige weitere Safaris gehen werde.
Funfact: St. Lucia ist dafür bekannt, dass Hippos nachts in die Stadt kommen und an Land gehen – ich selbst bin glücklicherweise auf keinen Hippo getroffen.
Ein weiteres Highlight war unser Besuch in einer Dorfschule. Die Frau, die uns nach St. Lucia eingeladen hatte, unterrichtet dort wöchentlich, war aber aufgrund des laufenden Retreats sehr beschäftigt, sodass wir ihre Unterrichtsstunde übernommen haben. Die Schule bestand aus einem kleinen Raum in einem Haus, das einer älteren Frau zur Verfügung gestellt wird, um Kinder im Dorf zu unterrichten. Meine Mitfreiwillige hatte jahrelange Erfahrung als Lehrerin an einer High School in New York, und ich war sehr dankbar, sie an meiner Seite zu haben. Besonders an der Unterrichtsstunde war, dass die Kinder nur Zulu und kein Englisch gesprochen haben. Wir haben uns demnach mit Händen und Füßen verständigt und viel gesungen, getanzt und musiziert. Es war eine besondere Erfahrung und sowohl die Kinder als auch wir hatten viel Spaß.
Auf unserer 10-stündigen Heimfahrt sind wir versehentlich falsch abgebogen und statt auf der Autobahn über das Land und durch die Berge gefahren. Das war in der Hinsicht toll, dass wir viele Tiere in freier Wildbahn sehen konnten, wie zum Beispiel diese Zebras am Straßenrand.
Zurück in Johannesburg begann dann ein Ferienprogramm für leistungsschwächere Kinder der siebten Klasse, welches die amerikanische Freiwillige und ich leiteten. Wir entschieden uns, über die Woche hinweg eine Three2Six-Zeitung zu gestalten, in der die Kinder ihre eigenen Artikel und selbstgestaltete Werbung präsentieren konnten. Neben den schulischen Aufgaben blieb ebenso Zeit für Meditation, musikalische Aktivitäten, kreative Projekte und Bewegung. Den Kindern wurden jeden Tag ein Snack und ein Mittagessen zur Verfügung gestellt. Wir hatten sehr viel Spaß, und die Zeitung, die wir gemeinsam erstellt haben, lässt sich sehen.
Am Wochenende haben Mark, der Leiter meines Projektes und ich einen Ausflug nach Soweto gemacht. Soweto wurde in den frühen 1990er Jahren gegründet, um Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe zu trennen. Während des Apartheid-Regimes waren schwarze Menschen gezwungen, in segregierten Townships wie Soweto zu leben, die weit außerhalb von Johannesburg lagen. Damals hatten die Bewohner keinen Zugang zu Wasser und Elektrizität, und die Wohnverhältnisse waren extrem schlecht. Nach dem Ende der Apartheid wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur in Soweto getroffen. Heute zieht das Township zahlreiche Touristen an, unter anderem wegen Sehenswürdigkeiten wie dem Nelson-Mandela-Haus oder dem Apartheid-Museum.
Wir hatten die außergewöhnliche Gelegenheit, eine Schule in Soweto zu besuchen. Die Klassenräume waren mit über 40 Kindern überfüllt, und es war schockierend zu sehen, dass viele von ihnen auf dem Boden arbeiten mussten. Ich finde es sowohl spannend als auch wichtig, Orte wie Soweto oder das Apartheid-Museum zu besuchen, da sie einen Einblick in die brutale Realität der Apartheid bieten und es wichtig ist, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, da die Auswirkungen der Apartheid auch heute noch spürbar sind.
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Südafrika eine der größten der Welt. Es hat mich schockiert, durch die Viertel zu fahren, in denen viele Kinder meines Projekts leben. Die Wohnungen sind alt, schlecht instand gehalten und überbelegt. Familien müssen sich oft ein Zimmer mit einer anderen Familie teilen. Die Straßen sind in sehr schlechten Zustand, die sanitären Einrichtungen und die Abfallversorgung sind unzureichend. Zudem sind diese Viertel stark von Kriminalität betroffen.
Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche wohlhabende Gegenden mit hochwertigen, modernen Immobilien, guter Infrastruktur und schönen Parks. In diesen Vierteln ist die Kriminalitätsrate aufgrund von privaten Sicherheitsdiensten und Überwachungskameras sehr niedrig. Ein großer Teil des sozialen Lebens findet in den vielen Malls von Johannesburg statt. Diese sind sehr sicher und bieten eine Vielzahl an Freizeit- und Unterhaltungsmöglichkeiten, darunter regelmäßige kulturelle Veranstaltungen.
Nach einem Monat in Johannesburg kann ich sagen, dass ich mich hier sehr wohlfühle. Die Menschen sind offen und freundlich und die Stadt hat wirklich viel zu bieten. Ich freue mich darauf, diese Woche meine Arbeit an meiner Einsatzstelle zu beginnen und bin gespannt darauf, im nächsten Blogbeitrag über meine Aufgaben im Projekt zu berichten.
Bis dahin alles Gute,
eure Anna-Lena 🙂
Liebe Anna-Lena,
ich freue mich sehr für dich, dass es tatsächlich geklappt hat mit dem Visum und du dich auch jetzt schon so wohl fühlst! Ich wünsche dir weiterhin alles Gute und einen Guten Start in deine Freiwilligenarbeit.
LG
Hannah (E.) =)