Vom alltäglichen Staunen
Suesday und Hallo!
Ich sitze gerade auf der kleinen Terrasse hinter meinem Zimmer und kann gar nicht glauben, dass ich nun schon über 10 Wochen in Kambodscha lebe. Seit Anfang Oktober bin ich wieder zurück in „Don Bosco Kep“, meiner eigentlichen Einsatzstelle.
Heute möchte ich euch ein bisschen an meinem sich langsam einstellenden Alltag teilhaben lassen, der immer wieder von unerwarteten Ereignissen und überraschenden Erkenntnissen durchkreuzt wird.
In den letzten Wochen habe ich nach und nach herausgefunden, worin meine Aufgaben bestehen und wie ich mich nützlich machen kann. Die meiste Zeit verbringe ich im Moment mit den border students der Technical School. Das sind die Schülerinnen und Schüler, die genau wie ich, in der Schule wohnen, weil sie aus weit entfernten Provinzen stammen. Manchmal tut es gut zu wissen, dass wir alle in derselben Situation sind – auch sie leben das erste Mal für eine längere Zeit nicht zu Hause bei ihren Familien. Die students der Technical School sind zwischen 18 und 23 Jahren alt. Für zwei Jahre besuchen sie eine Berufsschule mit vier verschiedenen Ausrichtungen: electrical department, secretary department, IT department und media communication department. Für mich ist es immer noch etwas seltsam, dass die Schüler in meinem Alter bzw. sogar älter sind, mich aber häufig mit teacher ansprechen. Lieber ist mir da doch die Bezeichnung bong srey, was „große Schwester“ bedeutet und in Kambodscha eine geläufige Anrede ist.
Jetzt aber zu meinen Aufgaben. Jeden Tag treffe ich mich mit einer Gruppe von Mädels, um ihnen beizubringen, wie man Armbänder knüpft. Am Anfang habe ich nicht so ganz verstanden, weshalb den Schwestern das so wichtig ist. Mittlerweile haben wir aber so viele Bänder hergestellt, dass sie verkauft werden können und wir sogar immer neue Aufträge bekommen. Außerdem hat mir Sister Johanita die Geschichte einer ehemaligen Schülerin erzählt. Sie hat hier in der Schule gelernt, wie man stickt, Armbänder knüpft und Kleidung bemalt. Heute hat sie einen Onlineshop und kann mit ihrer Handarbeit Geld verdienen. Das hat meinen Blick auf diese Stunden am Nachmittag nochmal sehr verändert.
Vor drei Wochen habe ich angefangen täglich Englischkurse anzubieten, bei denen die Schülerinnen und Schüler während ihrer Lernzeit die Möglichkeit haben, ihre Englischkenntnisse zu verbessern. Anfangs war ich ganz schön aufgeregt, weil ich einer so großen Gruppe noch nie etwas beigebracht habe. Außerdem musste ich schnell feststellen, dass die Englischkenntnisse der students sehr weit auseinandergehen – das macht dann auch die Vorbereitung nicht gerade einfach. Noch dazu ist jede Stunde eine neue Überraschung, da die Anzahl der Schüler gerne mal zwischen vier bis fünfzehn schwanken kann. Auch wenn eine Stunde mal besser oder schlechter funktioniert, freue ich mich immer auf diese oft lustigen Kurse. Es ist besonders schön zu sehen, dass die meisten Schüler wirklich motiviert sind und sogar Spaß am Englischlernen haben. Noch dazu habe ich durch diese Zeit auch die Möglichkeit, einige Schüler besser kennenzulernen. Es macht mich richtig glücklich, dass besonders einige Mädels nicht mehr so schüchtern sind und sich richtig freuen, mich zu sehen.
Gerade in der ersten Zeit, war es nämlich gar nicht so einfach für mich auf die Schülerinnen und Schüler zuzugehen. Oft ist es die Sprache, die mir das Kennenlernen erschwert. Auch wenn ich langsam Vorschritte mache, ist Khmer eben doch eine ganz neue und andere Sprache für mich. Umso mehr freut es mich, wenn es mir gelingt, aus meinem kleinen, aber stetig wachsenden Khmer-Wortschatz, die richtigen Wörter herauszusuchen, in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen und dann auch noch so auszusprechen, dass mein Gegenüber mich versteht.
Ein weiterer Teil meines Alltags ist der Glaube. Der Heilige Don Bosco ist nämlich nicht nur der Namensgeber der Schule. Ganz im Gegenteil, seine besondere Art, Jugendliche zu begleiten, spiegelt sich in vielen Bereichen des Schulalltags wider. So beginnt mein Tag mehrmals pro Woche mit einer sehr frühen : ) Meditation und einem Morgengebet mit den Sisters. Abends wird dann mit verschiedenen Schülergruppen die heilige Messe in der Landessprache gefeiert. Mittlerweile habe ich die Lieder mithilfe von Chat GPT in lateinische Buchstaben übersetzt, sodass ich nun mitsingen kann. Mal sehen, ob ich in ein paar Monaten von den Texten mehr als nur einzelne Worte verstehe.
Nach dem Abendessen versammeln sich alle border students noch einmal für die Good Nights. Dabei wird gesungen, gebetet und ein kleiner Impuls gegeben, bevor der Tag zu Ende geht.
Der Großteil der Schüler ist natürlich nicht katholisch. Es ist auch nicht das Ziel der Schule, das zu ändern. Viel mehr geht es darum, vor allem Schülern aus schwierigen Verhältnissen, einen sicheren Ort zu Lernen und Spielen zu bieten, sowie ihnen eine gute Ausbildung und menschliche Werte mitzugeben – ganz in dem Sinne Don Boscos.
Ein wichtiger Bestandteil der Schularbeit ist es beispielsweise, die Schüler in ihrer Kultur zu bestärken und die Traditionen aufrecht zu erhalten. So wurde zum Beispiel zu Beginn des Schuljahres eine „Culture Night“ veranstaltet. Ich bin immer noch beeindruckt von den traditionellen Tänzen der Khmer und Jarai, einer indigenen Volksgruppe, sowie dem Kun Khmer, der kambodschanischen Kampfkunst.
Neben der Technical School gibt es in Kep auch eine Highschool. Diese wird von den Brother Sun Children des Children’s Funds besucht, die zwischen 10 und 18 Jahren alt sind. Diese Schüler werden aber erst ab November wieder zur Schule gehen. Ursprünglich sollte auch für sie die Schule im Oktober starten, jedoch wurde der Schulstart für alle Highschools in Kambodscha kurzerhand um einen Monat nach hinter verschoben. Dieses Beispiel zeigt sehr gut die Spontanität, an die ich mich auch erst gewöhnen musste. Pläne können hier sehr kurzfristig gemacht und auch schnell verworfen werden. Auch wenn das am Anfang etwas anstrengend für mich war, habe ich diese Einstellung mittlerweile lieben gelernt – denn auf diese Weise ist schon der ein oder andere unerwartet tolle Ausflug entstanden.
Wie zum Beispiel an einem Wochenende an dem Father Albeiro zum Gottesdienst in ein kleines Dorf eingeladen war. Kurzerhand hat er am Morgen die Schwestern, eine Gruppe von Schülern und mich in den Jeep gepackt und schon ging es los. Von Kambodschas ländlichen Gegenden hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht so viel gesehen und konnte mal wieder feststellen, dass die Region, in der ich im Moment leben darf, unfassbar vielfältig ist. Vorbei an Reisfeldern und Palmenplantagen ging es nach dem Gottesdienst zu einem kleinen Fluss mitten in einem Mangrovenwald. Dort hatten wir alle eine wunderbare Zeit: zwischen all den Felsen und Wurzeln gab es viele schöne, natürliche Wasserbecken, die zum Baden eingeladen haben, über dem Fluss hingen Schaukeln und überall liefen Affen herum, die sich sehr über naive Besucher und deren Mittagessen gefreut haben. Ich wusste natürlich nichts von diesem Teil des Planes, weshalb ich keine Schwimmsachen dabei hatte, was letztlich aber kein Problem war, denn hier geht man immer in seinen ganz normalen Kleidern schwimmen.
Dies ist nur eines der Dinge, die mittlerweile schon ganz normal für mich geworden sind. Es ist wirklich verrückt, wie schnell man sich daran gewöhnt Tuk Tuk zu fahren und dabei eine ganz andere Welt zu beobachten. Bei einer Fahrt habe ich eine junge Frau am Straßenrand gesehen. Sie hat vor einem kleinen goldenen Tempel die typischen Räucherstäbchen (deren Geruch ich sehr gerne mag) angezündet und sich verbeugt. In dem Moment ist mir bewusst geworden, dass dieses Bild für mich zwar immer noch ungewohnt, aber gleichzeitig nicht mehr fremd ist.
So geht es mir mit vielem – es ist gar nicht mehr seltsam die kleinen Geckos an meiner Zimmerwand entlangflitzen zu sehen oder die verspielen Affen zu beobachten, die vor mir über die Straße laufen. Generell lebe ich hier mit vielen kleinen und großen Tieren zusammen. Das ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass das Schulgelände eher einem Dschungel als einer üblichen Schule gleicht. Gleichzeitig habe ich aber auch das Meer und die Berge des Nationalparks wortwörtlich direkt vor der Haustür – ein Träumchen. Auch an den Reis zu jeder Mahlzeit habe ich mich mittlerweile gewöhnt. (Allerdings muss es ab und zu dann eben doch die Pizza sein, die ich mir an meinem freien Tag gönne.)
Trotzdem gibt es immer wieder verrückte und unerwartete Dinge. Gestern ist Sister Maria zu mir gekommen und hat mich mit zum Hühnerstall genommen. Dort wurde gerade eine angeblich kleine Python gefangen. Der Mann wusste sehr genau, was er tat und hielt die Schlagen gelassen in seinen Händen, bevor er sie in eine Sack steckte und in den Wald fuhr. Sister Mili war etwas enttäuscht, dass wir die Schlange nicht zum Abendessen da behalten konnten ; )
Sonnige Grüße aus Kambodscha!
Eure Maura










Wow, was ein Hammer Bericht. Und was für schöne Bilder einfach
Sehr schön, dass du dich so gut an vieles gewöhnt hast.
Viel Erfolg bei allem was noch kommt, ich glaube du bist da auf nem guten Weg 😉
Danke Valentin!! Ich hoffe du bist inzwischen auch gut angekommen 🙂
Es war mal wieder so schön von dir zu hören, Maura! Und auch jetzt mit dir durch diesen Alltag gehen zu können, ich freu mich schon auf den nächsten!!
Danke liebe Maja, ich freu mich schon so dir alles persönlich zu erzählen!!