Einfach mal die Fliessrichtung ändern

Und schon wieder ist ein Monat vergangen. Ich kann es gar nicht glauben. Anhand der Blogeinträge merke ich immer, wie schnell die Zeit verfliegt und wie viel Neues ich in den letzten vier Wochen schon wieder erleben durfte. Macht euch einen warmen Tee, lehnt euch zurück und viel Spaß beim Lesen!

Zu Beginn des Monats, stand alles im Zeichen des Schulstarts – die Brother Sun Children sind nämlich zurück nach Kep gekommen. Das sind diejenigen Schüler, die noch die Grundschule bzw. Highschool besuchen. Für diese Kinder und Jugendlichen haben wir verschiedene Schulpakete zusammengestellt … 325 Pakete – um genau zu sein. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, was das für ein logistischer und zeitlicher Aufwand war. Dennoch hatten alle Helfer auf jeden Fall ihren Spaß. Neben den üblichen Schulmaterialen wurden auch Rucksäcke, Schuluniformen, Schuhe, Milch, Chips und manchmal Reis aufgeteilt. Diese Pakete haben mir vor Augen geführt, das es überhaupt nicht selbstverständlich ist, dass alle Schulkinder mit sauberer Kleidung, passenden Schuhe oder genügend Essen versorgt sind. Viele Familien sind auf die Unterstützung der Schule angewiesen. Don Bosco hilft nämlich nicht nur den Schülern in Kep, sondern auch vielen Kindern und Familien in abgelegenen Dörfern in ganz Kambodscha. Wenn diese nicht zu weit entfernt sind, werden die Schulpakete von hier aus mit dem Jeep zu den Schulen gebracht. Bei einigen dieser Besuche durfte ich mit dabei sein. Allein der Weg zu den Dörfern war oftmals bereits eine Erlebnis für sich, da es in den ländlichen Regionen selbst für Einheimische gar nicht immer so einfach ist, den richtigen Weg zu finden.
Überall wurden wir freundlich empfangen. Die Kinder haben mich herumgeführt, mir Schule, Bibliothek und Spielplatz gezeigt und versucht, mir einige kambodschanische Spiele zu erklären. Viele der Kinder sprachen beeindruckend gut Englisch. Ich merke immer wieder, dass Bildung hier einen großen Stellenwert hat. Auch wenn sich das vielleicht etwas dramatisch anhört, aber von dem Bildungsstand eines Kindes kann hier das Wohlergehen einer ganzen Familie abhängen.

Im November wird in ganz Kambodscha das mehrtägiges Wasserfest gefeiert, auch Bon Om Touk genannt. Dieses markiert das Ende der Regenzeit und damit den Beginn der Trockenzeit. Außerdem ist es die Zeit eines einzigartigen Naturschauspiels: der Fluss Tonle-Sap, welcher den großen Tonle-Sap-See mit dem Mekong verbindet, ändert seine Fließrichtung. Während der Regenzeit drückt der hochstehende Mekong viel Wasser in den See. Wenn der Wasserpegel des Mekongs im November wieder sinkt, fließt das Wasser wieder zurück, wodurch sich die Strömung umkehrt.

Viele Schüler fahren über die Feiertage nach Hause, so dass ich die Gelegenheit hatte gemeinsam mit anderen Lehrern in dieser Zeit nach Siem Reap zu fahren, um die Feiertage dort zu verbringen. Siem Reap liegt nicht nur am Tonle-Sap-See, sondern auch in direkter Nähe weltberühmter Tempelanlagen, darunter Ankor Wat, dem Wahrzeichen Kambodschas. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell die Möglichkeit für einen Besuch in Siem Reap bekommen würde. In der ganzen Stadt herrschte eine ausgelassenen Stimmung und die Atmosphäre war wirklich besonders. Am ganzen Flussufer gab es die verschiedensten Stände, an denen von kambodschanischem Essen über traditionelle Kleidung bis hin zu Handwerkskunst so ziemlich alles angeboten wurde, was man sich nur vorstellen kann. Ein Besuch in Phnom Penh, der Hauptstadt oder eben Siem Reap sind während des Wasserfestivals sehr beliebt. Ihr könnt euch also vorstellen, was dort los war. In dem ganzen Trubel war es auch einfach schön sich ganz in Ruhe an das Flussufer zu setzten und den traditionellen Bootsrennen und dem bunten Treiben zuzusehen. Am Abend waren der Fluss und die Boote wunderschön beleuchtet und überall wurden handgebundene Laternen zusammen mit vielen guten Wünschen auf das Wasser gesetzt.

In diesen Tagen hatte ich viele schöne Begegnungen mit Kambodschanern, die sich sehr gefreut haben, dass ich versuche, ihre Sprache zu lernen. Nicht nur, dass auf dem Markt der Preis gerne mal etwas gesenkt wird, wenn man auf Khmer fragt – aus so einer simplen Frage haben sich sogar richtig schöne Gespräche entwickelt. Eine liebe Verkäuferin hat sich lange mit mir über ihre Familie unterhalten, ein Vater mit kleinen Töchtern hat mich auf eine Zeichnung angesprochen und wieder andere Menschen haben sich sogar bedankt, dass ich versuche Khmer zu sprechen. Auch wenn ich gerade in den größeren Städten mit Englisch durchkommen würde, habe ich Khmer als „Türöffner“ erlebt, denn diese Begegnungen haben mir gezeigt, wie sehr sich einige Kambodschaner freuen und es sogar als Wertschätzung verstehen, wenn Ausländer ihre alte und traditionsreiche Sprache lernen. Ich bleib da also dran … : )

Ein Highlight dieser Tage war natürlich der Besuch der Tempelanlagen. Es war sehr besonders Ankor Wat endlich einmal live und in Farbe zu sehen. Im ganzen Land ist dieser alte Tempel nämlich allgegenwärtig – auf den vielen Flaggen am Straßenrand, auf der Kleidung, den Wasser- und Bierflaschen, der Zahnpasta  und und und… Die paar Tage waren leider viel zu kurz, um auch nur einen Bruchteil der ganzen Tempel der Region zu besichtigen. Meine bisherigen Lieblingstempel sind aber jene von Ta Prohm – eine wunderschöne Tempelanlage mitten im Wald, die von riesigen Bäumen und Wurzeln wortwörtlich zurückerobert wird. Ich kam mir vor, wie in einer Märchenwelt. Das war einfach unwirklich. 

Wieder zurück in Kep hatte ich ein bisschen das Gefühl von nach Hause kommen. Das hat mich sehr glücklich gemacht. Besonders gefreut habe ich mich, die kleinen Mädchen wieder zu sehen – bei ihrer Ankunft im November hatte ich sie direkt ins Herz geschlossen. Es ist sehr schön, die Zeit jetzt auch mit einigen jüngeren Kindern verbringen zu können. Mit ihnen habe ich immer etwas zu tun: wir basteln, spielen, suchen Snacks im Schulgarten, albern einfach nur herum, spuren das lateinische Alphabet nach, lernen Englisch oder betrachten abends zusammen den Sonnenuntergang am Meer. Es wird auf jeden Fall nicht langweilig. Langsam habe ich das Gefühl hier meinen Platz und meine Aufgaben zu finden. Mittlerweile habe ich verstanden, dass ich einfach selbst kreativ werden und mich mit meinen Fähigkeiten einbringen kann. So habe ich beispielsweise gemeinsam mit Julieta, einer sehr lieben Freiwilligen aus Kolumbien, ein Design für eine verschönerungswürdige Wand am Haus der Mädchen entworfen. Die Wand haben wir bisher geputzt, ausgebessert und weiß gestrichen. Es fehlt nun nur noch die Farbe. Im nächsten Blog werdet ihr dann das mit Sicherheit wunderschöne Endergebnis bewundern dürfen ; )
Obwohl es bereits Ende November ist, haben wir vor einer Woche Halloween und alle Geburtstagskinder des Monats nachgefeiert. Zu diesem Anlass habe ich mit den Kindern eine unfassbar lange Girlande aus Papier gebastelt, die sie voller Stolz aufgehängt haben. Am Abend selbst haben sich dann alle Schüler und Lehrer mehr oder weniger gruselig geschminkt. Es war ein sehr lustiger Abend mit Musik, Tanz und Geburtstagskuchen. Wie ihr vielleicht merkt, ist hier immer etwas los.    

Auch die Weihnachtsvorbereitungen laufen so langsam an. Abends wird jetzt immer das kambodschanische Krippenspiel geübt, ich habe dabei geholfen aus Texten und Zeichnungen der Schüler Weihnachtskarten zusammenzustellen und letzten Sonntag wurde auch hier der erste Advent gefeiert. Mit den Mädchen habe ich am Strand Muscheln für den Adventskranz gesammelt, ein zugegebenen ungewöhnliches Accessoire für einen Adventskranz, aber es ist für mich auch eine ungewöhnliche Adventszeit. Ein Glück, dass ich gefragt wurde, ob ich beim „Adventskranzbinden“ helfen könnte, sonst hätte ich den ersten Advent tatsächlich vergessen… Auch wenn die Temperaturen schon spürbar angenehmer geworden sind, haben wir hier tagsüber nämlich immer noch mollige 30 Grad, so dass sich die Weihnachtsstimmung nicht von alleine einstellt ; )

Damit sende ich euch einige Sonnenstrahlen in das winterliche Deutschland – bis bald!
Eure Maura